Drunkenmonday Rotwein des Jahres 2017

2017 Drunkenmonday Rotwein des Jahres

(NM) Bevor hier der Drunkenmonday Rotwein des Jahres enthüllt wird, vielleicht ein paar Worte darüber, was ein Rotwein des Jahres haben muss, um die Krone aufgesetzt zu bekommen. Erst einmal sollte er getrunken und nicht nur auf einer Messe oder einem Event probiert werden. Damit fliegen all die großen Weine aus dem Rennen, welche dieses Jahr zum Beispiel auf der Veritable, der ProWein, dem Meininger Finest 100 oder auf unzähligen Hausmessen verschiedener Händler probiert wurden. Denn eine der wichtigsten Regeln ist: Überraschen muss er, ja sogar sprachlos machen und trotzdem das Hirn minutenlang mit Information fluten, um direkt seine Eindrücke in Form von Weinbeschreibungen notieren zu müssen. Und das auch beim zweiten und dritten Schluck. Dafür ist auf den Messen und Veranstaltungen meist zu wenig Zeit.

Somit wird ein Wein des Jahres in der Regel zu Hause oder auf privaten Proben konsumiert. Wobei das Wort „konsumiert“ bei dem Rotwein des Jahres 2017 eigentlich durch „hinunter gestürzt“ ersetzt werden sollte. Denn dieser Wein überschlug sich förmlich mit Trinkfluss, regte über die Maßen zum nächsten Schluck an, wie es mir in dieser Form noch nie bei einem Rotwein untergekommen ist. Doch bei allem Drang die Kehle hinunterzufließen, faszinierte mich der Wein durch eine fast schon unerklärliche Kombination aus Leichtigkeit, Persistenz und Länge. Minimize to the max. Wenn Eleganz und Verspieltheit jede Form von Kraft und Druck spielend wettmachen, ohne dabei aber an Tiefe und Komplexität einzubüßen, kann das eigentlich nur eine rote Rebsorte auf dieser Welt leisten. Richtig, Pinot Noir.

Somit ist unser Drunkenmonday Rotwein des Jahres 2017…

2016 Brand Bros Pinot Noir „Pur“ / Bockenheim, Pfalz

2017 Rotwein des Jahres: 2016 Brand Pinot Noir

Wer das Weingut Brand aus Bockenheim in der Nordpfalz nicht kennt, keine Sorge, mir ging es bis vor 2 Monaten ähnlich. Kurz nach Weihnachten 2017 öffnete sich mir das unglaubliche Wein-Universum der Brüder Jonas und Daniel Brand. Doch Vorsicht: Hierbei handelt es sich um Naturweine, welche ohne zugesetzten Schwefel, ohne Filtration und Klärung und spontan Vergoren in die Flasche gefüllt werden. Und ich bin mir ganz sicher: Diese Portion Magie, die der 2016er Pinot Noir der Brand Bros verinnerlicht, wäre als konventionell hergestellter Wein sicher nicht so unerklärlich ausgefallen.

Schaut man sich den Wein im Glas an (siehe erstes Bild des Posts), denkt man eher an einen dunklen Rosé als an einen Rotwein. Auch die 11.5% Alkohol sind auf dem Etikett doch eher verwunderlich. Doch hält man seine Nase in den Wein (welcher sich übrigens in einem großen Burgunderglas sehr wohl fühlt), wird man von dem Duft sofort in den Bann gezogen. Ich zitiere gerne einmal die Worte, welche mir wie ein Wasserfall sofort in mein Hirn schossen:

Ultra fein, schlank, elegant, fragil, zart, zerbrechlich, tänzelnd, verspielt, lebendig, duftig, ehrlich, transparent, schwebend, leichtfüßig, dennoch würzig, tief, markant, Rebsorte zeigend, vielschichtig, komplex….

2017 Rotwein des Jahres: 2016 Brand Pinot Noir

Ich hätte wohl ewig die Liste erweitern können, denn mit jedem Schwenken kamen neue Eindrücke hinzu. Doch der erste Schluck ließ mich dann kopfschüttelnd zurück. Am Gaumen war der Wein so klar, leicht, transparent, aber dennoch persistent, mit herrlicher Pinot Frucht (eher rotfruchtig, also Kirsche, Erdbeere, Granatapfel, etwas Hagebutte), dazu Spuren von ätherischem Holz, weißem Pfeffer, florale Töne („blaue Blüten“), Gewürzkuchen und eine tragende und lebendige Säure. Und genau dieses Säure zieht das Glas unterbewusst an den Mund, um den nächsten Schluck gierig zu sich zunehmen. Man könnte dies auch als eine Interaktion zwischen Wein und Konsument bezeichnen, weit Abseits des alkoholischen Rauschs.

Stilistisch erinnert mich der 2016er Brand Bros Pinor Noir „Pur“ an die Pinots von Enderle und Moll, in ihrer Ausprägung nur nicht so dunkel und würzig, eher heller, verspielter und noch feiner und graziler. Der „no sulphur“ Funk ist nur sehr dezent ausgeprägt und fast gar nicht zu erkennen. Dieser Wein ist Pinot Noir absolut nackt, ohne Schminke, wie eine unvergleichliche natürliche Schönheit, die fast schwebend über die Tanzfläche gleitet. Sinnlich, packend, gemacht für große Schlucke an einem knisternden Abend zu zweit. Aber dann bitte aus der Magnum.

2017 Drunkenmonday Rotwein des Jahres

Harte Fakten

Bei der ganzen „weichen“ Weinbeschreibung gibt es natürlich auch harte Fakten zu diesem Wein. Die Weingärten stehen rund um Bockenheim in der Nordpfalz. Gelesen wird ausschließlich per Hand. Der Ertrag betrug 45 Hektoliter pro Hektar. Die 35 bis 40 Jahre alte Reben werden biodynamisch bewirtschaftet. Die spontane Vergärung und der Ausbau findet in gebrauchten 500 Liter Fässern statt. Es wurde weder zusätzlicher Schwefel hinzugefügt, noch wurde filtriert oder geschönt. Der Alkohol beträgt 11.5%, der Restzucker 0.5 Gramm, die Säure 6 Gramm pro Liter. Und der Preis? Sagenhafte 15€ ab Weingut.

Trinkfluss = Punkte Segen?

So, Punkte sollte es noch geben, oder? Nüchtern betrachtet und nach der klassichen 100 Punkte Verteilung (Farbe, Geruch, Geschmack, Gesammteindruck) kommt der Wein vielleicht nicht über 90-92 Punkte hinaus, denn es fehlt in der Bewertung ein wichtiger Bestandteil: Die Emotion. Und diese ist bei diesem Wein richtig groß. Wie also bekommt der Wein die Punkte, die seinem Wesen gerecht werden? Die Antwort: Gar nicht. Denn Trinkfluss, Gänsehaut, Eleganz und Leichfüßigkeit lassen sich eben schlecht in einer Zahl ausdrücken. Worte sind hier das Mittel der Wahl. Und diese gab es hier mehr als genug.

Bezug

Jonas Brand sagte mir, es gibt noch Magnum Flaschen ab Weingut. Online habe ich den Wein hier gefunden.

Historie

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8 Antworten auf „Drunkenmonday Rotwein des Jahres 2017

  1. Glückwunsch an die Nachbarn zwei Häuser weiter zum „Rotwein des Jahres“ und danke für den spannenden Bericht!

      • Gerne geschehen Nico! Traust Du Dir eine Aussage zur Alterungsfähigkeit des Weins zu oder ist er für derartige Schätzungen zu speziell? Nur damit ich weiß, wie lange ich meiner Magnum geben kann.

  2. Ich wollte gerade Magnumflaschen ab Weingut ordern, aber das funktioniert nicht. Kann sein, dass ich zu dumm bin. Aber ich freue mich immer über onlineangebote, die auch Amateure des Internets verstehen. Diesmal leider nicht. Schade!

  3. Sehr interessant, dass es ein Newcomer geschafft hat, Sie so zu überzeugen. Schön, dass Sie sowohl weiche als auch harte Fakten zu dem Wein geben. Ein paar Nachfragen hätte ich noch und würde mich über eine Antwort freuen: Wissen Sie wie lange der Wein auf der Maische vergoren wurde? Da es sich ja selbst für die niemals tiefdunklen Spätburgunder um ein besonders helles Exemplar zu handeln scheint, nehme ich an, dass die Maische schon nach wenigen Tagen abgepresst wurde? Wie lange wurde der Wein im Fass ausgebaut? Und zuletzt, jetzt wirds zugegebenermaßen sehr speziell, aber auch wirklich interessant: wie oft wurde der Wein abgestochen, bis er so stabil war, dass er komplett ungeschwefelt gefüllt werden konnte? Als Weintrinker finde ich den Verzicht auf Schwefel sehr interessant; als Hobbywinzer hatte ich bisher immer zu große Angst davor, auch nach vier oder fünfmaligen Abziehen immernoch ungewollte ‚Gäste‘ im Wein zu haben und die ganze Ernte zu verlieren…

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