Deutscher Pinot bis 10€ – Top oder Flop?

16x Pinot Noir bis 10€ aus Deutschland(JR) Der Handel lebt von Lügen und Illusionen. Überzeugende Spätburgunder aus deutschen Landen im unteren Preissegment zu finden, bleibt trotz aller Werbeversprechen eine Herausforderung. Diese anspruchsvolle Traubensorte mit ihrer dünnen Schale stellt hohe Ansprüche an die Winzer. Was geht da bis ca. 10.- € die Flasche? Oder sollte man als Weinliebhaber ganz die Finger davon lassen und lieber was „ordentliches“ kaufen? Wieder diese Fragen. Ein Abend, zehn Weinkenner und 16 verschiedene Weine brachten Antworten und manche Überraschung.

Um objektiv zu bleiben, wurden alle Weine blind in zufälliger Reihenfolge verkostet. Jeder Teilnehmer erstellte während der Probe sein individuelles Ranking von Platz 1 bis 16. Es herrschte zudem „Redeverbot“ in Bezug auf die Weine, um eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen. Am Ende wurden die Einzelbewertungen aufsummiert und zusammen mit dem Gesamtergebnis besprochen. Die Summen der Einzelplatzierungen sind in Klammern angegeben. Zehn mal Platz 1 würde also die Traumbewertung (10), zehn mal Platz 16 die Rote Laterne (160) ergeben.

Top Five

Platz 1:
Salwey Spätburgunder Oberrotweiler Käsleberg QbA 2008 EUR 10,30 (15)
Granatrote Farbe, super intensive Nase: etwas schwarzer Pfeffer, Waldboden, Vanille, Brombeere und Ledernoten, „Pinot-Stinker“. Der Gaumen bestätigt diesen Eindruck: dicht, kompakt, mineralisch und saftig, Brombeere, schöner Holzeinsatz, seidige Tannine, moderater Alkohol. Alles sehr ausbalanciert. Wir waren uns alle einig: Das ist DIE Qualitäts-Offerte vom Kaiserstuhl. Wow!

Platz 2:
Knipser Blauer Spätburgunder trocken 2008
EUR 9.80 (47)
Mit etwas Abstand zu Platz eins, aber dennoch überzeugend. Helle, leicht bräunliche Farbe im Glas. Himbeere, Kaffee, Holz in der vollen Nase. Die Himbeerfrucht setzt auf der Zunge fort. Schönes Tannin. Das Barrique ist dezent zu schmecken und wirkt stimmig. Das war vom Weingut Knipser – eines der Gründungsmitglieder des Deutschen Barique Forums – auch nicht anders zu erwarten. Der dezente Bitterton und der (zu) kurze Abgang ließen die Einzel-Bewertungen etwas auseinander driften.

Platz 3:
Martin Wassmer Spätburgunder Rotwein Baden 2007
EUR 8,70 (49)
Kein Tippfehler unsererseits, der Name des Weinguts steht wirklich so – mit zwei „ss“ – auf dem Etikett. Die Nase ist erst etwas verschlossen, öffnet sich dann aber schnell mit Anklängen von Dosenmandarinen. Am Gaumen im ersten Moment ohne Besonderheiten. Fruchtig und recht weich. Der Wein „streichelt“ dank der weichen Tannine die Zunge. Einheitliches Bewertungsbild. Sehr ordentlich für den Preis!

Platz 4:
Philipp Kuhn Spätburgunder „Tradition“ trocken 2008
EUR 10.90 (63)
Kirschrote Farbe, Holznase, leichter Stinker. Intensive Kirschfrucht auf der Zunge, mit schöner Säure. Etwas herber Stil geprägt durch griffiges Tannin und die Säure im mittellangen Abgang. Überzeugte nicht alle in der Runde. Sehr unterschiedliche Einzelbewertungen.

Platz 5:
Jacob Duijn Pinot Noir Bühler Charme trocken 2007
EUR 9.50 (70)
Einstiegswein des Holländers aus Baden. Bräunliche Farbreflexe. Deutlicher „Pinot-Stinker“. Der Wein öffnet sich schnell im Glas und lässt eine schöne Beerenfrucht erkennen. Dank der Tannine mit Lager- und Entwicklungspotential. Die prägende Holzaromatik und die Bittertöne führten zu sehr abweichenden Bewertungen.
die Top 5 Pinots bis 10€
Mittelfeld

Platz 6:
Joachim Heger Spätburgunder Medinger Bühl
2007 EUR 10,60 (74)
Der durch die Globus Handelskette vertriebene Wein spaltete ebenfalls die Tester. Die einen lobten die volle Nase und sahen Ähnlichkeiten mit Phillip Kuhns „Tradition“, bezüglich der Kirschfrucht und der Tannine. Auf der anderen Seite wurde der sehr kurze Abgang bemängelt und der Wein als etwas „dünn“ beschrieben.

Platz 7:
Weinland Baden Spätburgunder Jürgen v. d. Mark 2008
EUR 5,90 (81)
Angenehme, dezente Beeren-Chassis Nase. Geschmacklich gefällig, Kirschmarmelade, kühle Stilistik. Etwas schlank, für einige noch ok, für andere schon etwas zu flach und wenig ernsthaft. Wer hätte gedacht, dass es im REWE-Supermarkt passable Qualität zu so einem Preis gibt!

Platz 8:
Martin Waßmer Spätburgunde Markgräferland 2007
EUR 10,90 (83)
Lehnert-Veit Lehnardo Spätburgunder Mosel 2009 EUR 6,60 (83)
Gleichstand, auch das ist bei so einer Probe möglich. Allerdings lagen die Einzelbewertungen bei beiden Weinen wieder deutlich auseinander. Waßmer – diesmal mit „ß“ etikettiert – hatte deutliche Holz- und Ledernoten im Duft. Auf der Zunge mittel gewichtig bis voll. Die an frische Sauerkirschen erinnernde Fruchtsäure dominiert den Wein. Wer´s mag.
Lehnert-Veit mit seiner „Alten-Oma-Nase“ (Schweiß, Veilchen, Schokolade, Holzputzmittel) war ebenfalls nicht jedermanns Sache. Für die einen etwas nichtssagend im Geschmack, für die anderen trinkanimierend, fresh and funky.

Platz 10:
Spitalkellerei Konstanz Konstanzer Sonnenhalde Spätburgunder 2007
EUR 8,60 (88)
Dunkle Farbe, dezente Nase. Herber und kühler Stil. Maskierte Säure durch deutlichen Bitterton auf der Zunge. Im Abgang Fruchtgummi. Heterogenes Meinungsbild, da der Bitterton unterschiedlich intensiv empfunden wurde.

Platz 11:
Karl Pfafmann Spätburgunder tr. im Holzfass gereift 2007
EUR 9,80 (93)
Flache Nase. Im Geschmack nichtssagend aber ohne Fehlton. Mehr gibt es hier nicht zu sagen.

Platz 12:
Robert König Spätburgunder Spätlese trocken 2007
EUR 9,90 (98)
Helle Farbe. Die Nase – wie der ganze Wein – wirkt leicht „künstlich“, wie billiger Wein aus Übersee. Wenig Tannnin, dezente Kirsche und recht alkoholisch. Nicht so toll.

Abstiegsplätze

Platz 13:
Weingut Aufricht Spätburgunder tr. Baden 2007
EUR 8,50 (105)
Helle Kirschfarbe, säuerliche Nase. Leicht moussierend und jung, Traubenzucker mit Bitterton auf der Zunge. Wegen seiner Eisbonbon Note im Abgang stark an einen Rosé erinnernd. Untypisch.

Platz 14:
Weingut Michel Achkarrer Spätburgunder Schlossberg
EUR 8,70 (114)
Flache Nase. Wenig Aroma und mit unangenehmer Bitternote auf der Zunge.

Platz 15:
Weingut Siener Spätburgunder No_1 trocken 2008
EUR 9.10 (136)
Nase zu. Kaum Frucht, nicht sehr trinkig. Kurz im Abgang. Nichtssagend.

Fehlerhafte Flasche / keine Wertung

Friedrich Becker Spätburgunder trocken 2008 EUR 8.50
Diese Flasche hatte einen deutlichen Fehler und wird später noch nachverkostet.

DM Tipp für Schnäppchenjäger:
Ganz klar mit deutlichem Abstand unser Platz 1: Salwey Spätburgunder Oberrotweiler Käsleberg QbA 2008. So viel Spätburgunder für´s Geld findet man selten. Top Buy!

DM Tipps für Sparfüchse:

Platz 3: Wassmer Spätburgunder Rotwein Baden 2007. Im Handel für EUR 8,70 gibt es die Flasche ab Weingut schon für EUR 6,50!
Platz 7: Weinland Baden Spätburgunder Jürgen v. d. Mark 2008. Für EUR 5,90 im REWE – Markt um die Ecke.

DM sagt vielen Dank an den Gastgeber Marc Colavincenzo, Inhaber der Weinrebe am Lindenplatz in 35390 Gießen, für das nette Ambiente und das feurige Chili.

23 Antworten auf „Deutscher Pinot bis 10€ – Top oder Flop?

  1. Hey Jürgen,
    dies hast du sehr lesenswert zusammengefasst.
    Mir gefällt der Duijn gerade als „Brot und Butter“ Wein auch sehr gut.
    Salwey steht für sich.
    Ihr müßt mal bei Gelegenheit einen seiner Weiß- oder Grauburgunder probieren – da werden Chardonnaytrinker zu Salwey Fans:)
    Cheers
    Vinophil

  2. Da fällt mir beim Lesen doch die durchgängig festgestellte Bitternote auf. Was muss ich mir darunter vorstellen und woher kommt das Eurer Meinung nach?

    • Hallo Iris,
      mit Bitternote wird die „Bittermandel“ Aromatik beschrieben, die man recht häufig bei Pinot findet.

    • Hallo Iris,

      die Bitteröne stammen von den Phenolen im Wein.

      Bei der Gewinnung des Weins werden die Phenole (Organische Verbindungen, zu denen auch die Gerb- und Farbstoffe gehören) aus der Beere herausgelöst. Wieviel, daß hängt stark vom Reifegrad der Traubenbeere, von der Methode der Weinherstellung und der Traubensorte ab.

      Die großen Pinots/Spätburgunder haben die Phenolik perfekt in das Mundgefühl integriert, das keine/kaum Bitterkeit wahrnimmt sondern nur Substanz. Zudem schmeckt jeder Mensch Bittertöne etwas anders; manche(r) – genetisch bedingt – bestimmte Bittertöne (PTH) überhaupt nicht.

      Bei Interesse (PTH) kannst Du hier weiterlesen:
      http://www.biologie-lk.de/showthread.php?t=13070

  3. Spannendes Thema und eine interessante Runde – Schöner Beitrag!
    Zufall? Scheint mir ja fast ein Schwerpunkt Baden/ Kaiserstuhl zu sein, der ja oftmals etwas stiefmütterlich behandelt wird, wenn es um Rotwein und insbes. Pinot Noir aus Deutschland geht, bei dem ja Assmannshausen, die Nahe und die Südpfalz zumindest in der Berichterstattung dominieren.

    Interessant wäre es aber auch gewesen, mal neben den großen und bekannten Namen wie Wassmer, Becker und Salwey mal andere zu lesen, die (nicht nur) ich für mindestens genauso erwähnenswert halte und die qualitativ sich gerade auch hinter Salwey nicht verstecken müssen.
    Ich denke da nur beispielsweise an diese hier:

    Reiner Probst – Achkarrer Schloßberg – Spätburgunder Rotwein Spätlese trocken 10,20.-
    (ok, 20 Cent drüber…aber der Salwey ja auch;-)
    Bercher-Schmidt – Burkheimer Feuerberg – Spätburgunder Rotwein Spätlese trocken 10,00.-
    sowie Bischoffinger Enselberg und Oberrotweiler Henkenberg, Spätburgunder Rotwein QbA trocken, beide 8,50 €
    H. Gretzmeier – Spätburgunder Rotwein trocken (Alte Rebe) 2004, 9,00 EUR
    Siglinger – Spätburgunder ** Nicht filtriert- trocken im Eichenfass gereift, 9,30.-
    Medinger – Spätburgunder auslese trocken im Holzfass gereift, 9,80.-

    Wenn ich mirs so recht überlege, fast schon ein Programm für eine weitere kleine Pinot-Probe 🙂

    Bin ja mal gespannt, was sich da so rausschält bei den TWA (Twitter Wine Awards) Ende November zum gleichen Thema (Pinot Noir, aber Preisgrenze 20 EUR…)

    • Hallo Stefan,

      danke für das ausführlich Feedback. Wir „mussten“ uns auf einige wenige Vertreter der 10€ Zunft beschränken und wollten auch bewusst die „kleinen“ Weine der „großen“ Namen einmal testen. Sicher sind dort gerade in der 10€ Liga noch etliche großartige Weine dabei. Und gegen ein Part 2 dieser Probe spricht bestimmt auch nichts 😉

      Grüße,
      Nico

  4. Mit dem Begriff Bitternote tu ich mir im Bericht auch schwer. Vor allem weil einmal von Bitternoten, dann von Bittermandelaromatik und dann von Phenolen gesprochen wird.

    • Hallo Ultes,
      die geschmacklichen Bitternoten stammen chemisch betrachtet von den Phenolen im Wein. Die sind bei jeder Traubensorte verschieden ausgeprägt. Bei Pinots spricht man in diesem Zusammenhang von „Bittermandelaromatik“.

      • HI,
        du musst aber zwischen Geschmack und Aroma differenzieren. Unter Geschmack versteht man süß, salzig,… und unter Aroma versteht man Duftstoffe:

        Aroma

  5. Sehr interessanter Artikel zu Weinen. Ich finde die Auflistung der verschiedenen Weinsorten gut und es hat mich auf eine Idee gebracht. Ich werde demnächst auch ein Weinkosten mit Kollegen machen.

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  13. Hallo zusammen,

    auch ein schönes Thema. Mir gefällt die kritische, konsumentenorientierte Haltung. Was mir aber fehlt sind Angaben zum Ausbau. Ob Stahl, altes Holz oder Barrique und welcher Anteil sind gerade beim empfindlichen Spätburgunder wichtige Fragen udn entscheiden für die Stilistik.
    Gleiches gilt für den Alkoholgehalt. 13% oder 13,5% sind hier schon ein Drahtseilakt, 13,8% und mehr nicht selten ein Todesurteil für die Harmonie der Basisweine.

    Meine Tipps für Spätburgunder unter 10 €: Weingut Marx, Windesheim!!! Elmar Schauß, Monzingen (Edition Walfort), R & C Schneider, Endingen; Bernhard Huber (Junge Reben), Sehrmann-Kreuzberg – alle natürlich abhängig vom Jahrgang.

    Beste Grüße

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