365 Tage Deutschlands bester Sommelier – Wir müssen reden!

Sommelier mit Rückgrat: Sebastian Russold – Bester Sommelier Deutschlands 2021

(PT) Sebastian Russold wurde nach einem anspruchsvollen Wettbewerb 2021 als Bester Sommelier Deutschlands ausgezeichnet. Nach einem Jahr zieht er ein Fazit, das es in sich hat.

Nach Rücksprache mit ihm veröffentlichen wir seine Perspektive zur Situation in der Gastronomie:

Liebe Kollegen/innen, wir müssen reden!

Heute vor einem Jahr habe ich die Sommelier Trophy für mich entschieden und darf mich nun „Bester Sommelier Deutschlands“ nennen. Ich könnte erzählen von den Möglichkeiten, Reisen und vieles mehr die mir dieser Titel ermöglicht hat. Das würde man doch erwarten können! 

Schließlich muss man Demut zeigen und Bescheidenheit. Ja bitte nicht kontrovers in einem konservativen System auffallen und wenn es Probleme und Missstände in der Weinwelt gibt, dann werden diese Stillschweigend akzeptiert oder einfach nur lange genug toleriert. Es sind ja nur Einzelfälle…

In dem Interview (Sommelier Intern Ausgabe 01/2022) habe ich versucht einen Diskurs zu starten über die Themen Rassismus, Sexismus und Mobbing. Im nachfolgenden Sommelier Collage wurden darüber diskutiert. Nach den Vorfällen in den USA, wurde behauptet: „Das sowas in Europa nicht passiere“ (Zitat von einer Person) und man erzählt voller Tatendrang, dass jetzt alles anders wird und brüstete sich mit neuen Erkenntnissen der Gleichberechtigung. Wie wir nun merken, war es mehr Schein als Sein!

Die aktuellen Vorfälle innerhalb der Deutschen Sommelier Union sind nur die Spitze des Eisberges. Ich betone nochmal: „Sexismus, Rassismus und Mobbing sind in vielen Betrieben noch an der Tagesordnung“. Alle die jetzt schreien „Aber man kann doch nicht alle über einen Kamm scheren, es gibt ja auch gute Beispiele“ – Ja das mag stimmen, aber das ist kein Grund es zu verharmlosen und dadurch den Tätern weiter Schutz bieten. 

Nach Vorfällen werden große Reden geschwungen, dass man für Weltoffenheit und Gleichberechtigung steht, aber tut man das wirklich?!

Wird das System „Männer in Machtpositionen, mit viel Einfluss, die über die Zukunft einer Person entscheidenden Einfluss nehmen können“ wirklich bekämpft? Oder wissen diese Personen nicht ganz genau wer ihnen gewogen sein muss, damit sie geschützt werden, wenn mal was schief geht?!

Manch einer geht noch weiter und stellt sich lieber auf die Seite der Täterschützer, als der Opferschützer, denn „Vielleicht macht sie das nur um sich zu profilieren oder ihn zu denunzieren“ oder mein liebstes Argument „Man zerstört damit sein Leben“ – dazu möchte ich nur sagen, dass die Person ihre Finger hätte dalassen sollen, wo sie hingehören, dann wäre das Leben noch in Ordnung!

Um es auf den Punkt zu bringen – Wir ALLE wurden in einem patriarchalen System erzogen und wurden geprägt von Sexismus und Rassismus der damaligen Zeit. Vielen ist es bewusst, dass sich die Welt geändert hat und das was früher als Kompliment galt heute Menschen verletzt und Handlungen mancher kein Kavaliersdelikt mehr ist (Strafgesetzbuch (StGB) § 184i Sexuelle Belästigung).

Es ist an der Zeit, dass wir geschlossen gegen das System Sexismus und Rassismus handeln! 

Jede/r Einzelne muss sich entscheiden, ob man zukunftsorientiert, weltoffen und tolerant ist und sich dafür einsteht, oder lieber in einer Nostalgie der Vergangenheit bleibt und nicht mehr zumutbar ist für seine Kollegen/innen.

Die Probleme sind definiert und analysiert, jetzt müssen wir anfangen zu handeln und einen Neustart wagen!

Wir finden: Chapeau für die klaren Worte!

Sebastian Russold hatte diesen Beitrag zuerst auf Instagram veröffentlicht. Damit dieser nicht im inmsta strwam untergeht, haben wir ihn hier auch veröffentlicht.

Mitte November hatte überraschend Peer Holm mit sofortiger Wirkung seine Ämter als Präsident der Sommelier-Union Deutschland e. V. und als Generalsekretär der Association de la Sommellerie International (ASI) niedergelegt. Dazu sein Statement:

Rücktritt Peer F. Holm:

„Ich bin in den letzten Tagen damit konfrontiert worden, dass ich im Umgang mit Frauen Grenzen überschritten habe. Es war mir nicht bewusst und ich habe Signale nicht erkannt, was meinen Fehler weder entschuldigt noch mindert. Mir tut es von tiefsten Herzen leid, dass ich andere mit meinem Handeln in Bedrängnis gebracht oder sogar verletzt habe. Hierfür möchte ich mich vor allem bei den betroffenen Frauen entschuldigen. Ich habe Gespräche geführt, um zu verstehen und zu lernen. Mir ist dabei klar geworden: Dieses Verhalten passt nicht zu meinem eigenen Selbstverständnis. Daher trete ich mit sofortiger Wirkung als Präsident der Sommelier-Union Deutschland e.V. zurück. Dies habe ich dem Vorstand und Beirat mitgeteilt. Ebenso trete ich von meinem Amt als Generalsekretär der ASI zurück.“ – Peer Holm.

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