(NM) Die Idee zu dieser Probe war schnell geboren: Eine Pinot Noir Probe mit Pinots aus Ländern, wo diese Rebsorte keine große Reputation hat. Somit suchten wir nach Pinots, welche nicht aus Frankreich, Deutschland, Neuseeland oder den USA kamen. Nach einigen Tagen intensiver Suche hatten wir 10 Pinot Noir aus folgenden Ländern für eine Probe zusammen: Schweiz, Österreich, Brasilien, Griechenland, Portugal, Italien (Südtirol), Chile, Australien, Argentinien und Kanada. Somit konnte das Abenteuer „Pinot Noir World Tour“ beginnen. Um die Probe insgesamt noch spannender zu machen, entschieden wir uns für eine Blindprobe der Weine. Niemand wusste welcher Wein aus welchem Land kam. Jeder der Probanden schrieb aber seinen Tipp unter seine Verköstigungsnotizen. Diese Länderzuweisungen erwiesen sich aber schwieriger als angenommen. Oder wie schmeckt noch einmal Pinot Noir aus Brasilien? Das Preislimit lag bei max. 20€ die Flasche.
Doch was uns im Laufe der Probe ins Glas kam, war teilweise grenzwertig. Des Öfteren wurden wir an diesem Abend als interessierte Weinfreunde mit der Tatsache konfrontiert, dass sich Pinot Noir nicht überall wohlfühlt. Die „Diva“ der Rebsorten zeigte uns einige Male die kalte Schulter. Auch der Umgang mit ihr im Weinkeller kann bei dem ein oder anderen Winzer nicht ladylike gewesen sein. Die Rache in Form von Fehltönen folgte auf dem Fuße. Eine „Cabernet Sauvignon World Tour“ Probe wäre wohl nicht ganz so Gaumenraubend ausgegangen. Wie dem auch sei, diese Weine wurden von uns getestet und wie folgt bewertet:
10. Platz -> 2007 Casa Santos Lima Pinot Noir (Portugal)
09. Platz -> 2009 DA‘ Divas Pinot Noir (Brasilien)
08. Platz -> 2009 Montes Alpha Pinot Noir (Chile)
07. Platz -> 2008 Henri Cruchon Champanel Grand Cru Pinot Noir (Schweiz)
05. Platz -> 2006 Newen Findel Mundo Pinot Noir (Argentinen) – Punktgleich mit
05. Platz -> 2007 Alpha Estate Pinot Noir Turtles Vineyard (Griechenland)
04. Platz -> 2009 Johanneshof Reinisch Pinot Noir (Österreich)
03. Platz -> 2008 Manincor Mason Pinot Noir (Italien – Südtirol)
02. Platz -> 2007 Henry of Pelham Pinot Noir Reserve (Kanada)
01. Platz -> 2005 Chalkers Crossing Pinot Noir Tumbarumba (Australien)
Weinfehler aus dem Lehrbuch
Fangen wir einmal hinten an. Der 2007 Casa Santos Lima Pinot Noir aus Portugal glich einem Verbrechen an den Geschmacksnerven. Er schmeckte chemisch, grün und unreif. In etwa wie billiger, halbtrockener Portwein mit einer Menge Teppichabrieb (das Zeug was beim Rausreißen am Boden kleben bleibt!). Untrinkbar! Zwischen 62 und 69 Punkten wurde hier bewertet. Nach dem Portweinvergleich wurde der Wein auch konstant nach Portugal „getippt“. Nicht viel besser war hier der 2009 DA‘ Divas Pinot Noir aus Brasilien. Auf Grund des abartigen Brettanomyces Fehlton konnten wir hier aber von „echtem“ Wein ausgehen. Das Geruchs- und Geschmacksbild spannte sich von frisch gefüllter Windel, über Misthaufen bis Glutamat-Asia-Pilzen. Daran änderte sich auch so schnell erst einmal nichts. 72-78 Punkte wurden hier aus der Runde gezogen. Wie der Fallstaff hier 89 Punkte aufrufen konnte, ließ uns ratlos zurück. Eine schlechte Flasche?
Kaum Licht am Ende des Tunnels
Auch mit dem 2009 Montes Alpha Pinot Noir aus Chile wurden wir nicht warm. Das Schaulaufen der Weinfehler ging fröhlich weiter. In diesem Falle strahlte uns Pinot aus einem renommierten Haus an, welcher nach Bolognese-Soße incl. Parmesan und Petersilie roch. Dazu gesellten süße Rotfrüche, Traubenzucker und laktische Noten. Am Gaumen bizzelte es sogar nocht leicht. Anders, aber irgendwie nicht besser wie die beiden davor. End-70er Bewertungen auch hier. Henri Cruchon mit seinem 2008er Champanel Grand Cru Pinot Noir aus der schönen Schweiz war der erste „fehltonfreie“ Wein. Das war es aber dann auch schon wieder. Der Wein kam sehr dünn und wäßrig daher, mit leichten Aromen von Erdbeeren, Minze und Brombeeren. Alles sehr fein und elegant in die Flasche gebracht, aber so spannend wie ein weißes Blatt Papier mit einem roten Punkt. Immerhin 81-83 Punkte wurden hier vergeben. Nach dem wir tolle Weine von diesem Weingut bei unserer Schweiz-Probe hatten, sicherlich eine kleine Enttäuschung.
Hoffnung?
Einen kleinen Schritt in Richtung Genuss machte der 2006 Newen Findel Mundo Pinot Noir aus Patagonien / Argentinien. Hier wurde ein sauberer, aber etwas überreifer Pinot ins Glas gebracht. Das reife Himbeeraroma mit leichter Holzwürze war recht ansprechend, doch der Alkohol und die Säure machten ihn etwas unharmonisch. Um die 84 Punkte im Schnitt. Den 5. Platz teilte sich der Argentinier mit seinem Kollegen aus Griechenland, dem 2007 Alpha Estate Pinot Noir Turtles Vineyard. Dieser Pinot konnte auf der einen Seite durch seine recht herbe und Tannin betonte Art die Gruppe überzeugen, die Rotfrucht war leider auf der anderen Seite etwas kitschig und künstlich. Der 4. Platz wurde von einem doch recht kühlen Pinot aus Österreich belegt. Bei dem 2009 Johanneshof Reinisch Pinot Noir gab es eigentlich kaum was zu meckern. Die kühl wirkende „echte“ Rotfrucht (Erdbeere + Himbeere), wird von einem leicht metallisch wirkenden Säure und Tanningerüst getragen. Klassischer Pinot im europäischen Stil. Unaufgeregt, aber solide. 85-87 Punkte aus der Gruppe.
Jetzt aber: Die Top 3
Den dritten Platz belegte ein alter Hase im Südtiroler Pinot Geschäft. Der 2008 Manincor Mason Pinot Noir gefiehl in der Runde durch seine Ausgewogenheit an Frucht, Holz, Säure und Tannin. Sehr gefällig mit leichter Vanille und Rauchnote, schöner klaren Pinotfrucht – der Wein machte richtig Spaß. Klassisch, elegant und nicht zu wild. Ein schöner Pinot, welcher seine europäischen Wurzeln deutlich zeigt. 87 Punkte im Schnitt. Nun folgten zwei wirkliche Überraschungen. Auf Platz 2 landete der 2007 Henry of Pelham Pinot Noir Reserve aus Kanada. Dieser Pinot zeigte im kompletten Feld die „typischste“ Überseefrucht, mit viel Brombeere, reifen Himbeeren und Vanille. Auch am Gaumen war er mit Abstand am dichtesten, zeigte aber trotz der reifen Frucht eine kühle Stilistik und eine feine Balance aller Komponenten. Das Tannin war reif, aber immer noch griffig. Die Säure integrierte sich harmonisch. Zwischen 88 und 90+ Punkte wurden hier gegeben. Eine großartige Interpretation des „neuen Welt“ Pinot-Stiles. Doch der Gewinner des Abends war eigentlich die größte Überraschung. Keine hatten diesen wunderbar „altmodischen“ und eleganten Pinot Noir nach Australien gesteckt! Die Rede ist von dem 2005 Chalkers Crossing Pinot Noir aus der Tumbarumba Region in Australien! Ein Musterbeispiel für Kühle und Eleganz, harmonischen Fruchtspiel, griffigen Tanninen und harmonischen Holzeinsatz bei gleichzeitigem Druck am Gaumen – aus Australien! Damit hatte niemand am Tisch gerechnet. Fleißig wurde nachprobiert, doch es änderte sich nichts. Australien gewinnt mit einem „traditionellen“ Pinot Noir unsere kleine World Tour. Bravo! Bepunktet wurde der Wein nebenbei zwischen 89 und 91. Doch wen interessiert es, wenn man den Wein wunderbar in Burgunder-Blindproben schmuggeln kann?
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Ich war – „leider“ darf ich in diesem Fall nicht sagen – bei der Probe nicht dabei. Liest sich teilweise wie die 1Liter -Flaschen-Probe. Qualitativ so am Bodensatz war der Abend aber nicht. Oder?
Hallo Jürgen,
die Top3 waren schon wirklich gut und auch durchaus zu empfehlen! Gerade der Australier war toll und eine große Überraschung.
Manincor… (sic!).
@Gattaca
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