Bigger – Better – Barolo!

Barolo aus dem Jahr 1999

(BH/JR) So oder ähnlich müsste der treffende Werbespruch zu dieser Drunkenmonday Barolo Probe der Superlative lauten. Wieder im Gießener Gianoli zu Gast, standen acht angesagte Weine aus dem Piemont zur Verkostung bereit.

Wenn Weinliebhaber und Feinschmecker vom Piemont schwärmen, meinen sie die liebliche Hügellandschaft des Langhe-Gebietes mit zahlreichen Weinkellern und Ristoranti. Hier wachsen nicht nur einige der besten Weine Italiens, sondern auch die begehrten Trüffel, die wir im Anschluss an die Verkostung probieren durften. An dieser Stelle vielen Dank an Giancarlo und seine Mama für die umwerfende Lasagne, die Trüffel und den Käse!

Wir haben uns in dieser Probe mit folgenden, teilweise grandiosen Weinen intensiv beschäftigt:

2002 La Spinetta Cocito Langhe Nebbiolo
1999 Orlando Abrigo Vigna Sino Barberesco
1999 Aurelio Settimo Barolo Rocche
1996 Aurelio Settimo Barolo Rocche
1999 Poderi Aldo Conterno Barolo Colonnello
1999 Elio Altare Barolo La Morra
1999 Clerico Barolo Pajana
1999 Parusso Barolo Bussia Rocche Riserva Oro


Der 1999 Aurelio Settimo Barolo Rocche hatte leider einen fiesen Korkschmecker. Glücklicherweise hatten wir einen 1996er als Backup dabei – ebenfalls ein hervorragender Jahrgang im Piemont mit ähnlicher Stilistik. Es lebe der gut sortierte Weinkeller.

2002 La Spinetta Cocito Langhe Nebbiolo
Aus geheimen Quellen für sagenhafte 10,00 € erstanden, überrascht dieser Nebbiolo aus einem eher schwachen Jahr mit einer betörenden Nase und Anklängen von Tabak, roten Früchten und Herrenschokolade sowie Eisen (Blut?) und fleischigen Gerüchen, jedoch wenig Tertiäraromatik. In der Farbe waren ebenfalls keine Alterserscheinungen erkennbar. Im Mund dann erstaunlich zugänglich. Nachdem der Cocito etwas geatmet hatte, zeigte er sich mit frisch-lebhafter Säure, für einen Nebbiolo, je nach persönlichen Präferenzen, moderaten bis starken Tanninen bei mittlerem Körper und einem noch leicht maskierten Fruchtkern von Kirschen, Pflaumen, vielleicht auch etwas Thymian und entfernt erdige Töne. Den Wein haben wir anlässlich einer Spinetta Probe vor zwei Jahren bereits verkostet und hier vorgestellt. Damals schon einer der Favoriten, hat sich der Wein durch die Flaschenreife vor allem aromatisch schön weiter entwickelt.
Fazit: Ein bereits jetzt mit etwas Luft sehr zugänglicher Wein, der noch keineswegs „über den Punkt ist“, und wegen der Tannine und dem stabilen Säuregerüst noch Potenzial hat und sicherlich 89 – unter Berücksichtigung des Preis-Leistungs-Verhältnis – wahrscheinlich sogar über 90 Punkte verdient, wobei ein Nachkauf zu diesen Konditionen schwer fallen dürfte…

Barolo und Barbaresco aus 1999 1999 Orlando Abrigo Vigna Sino Barberesco
Dieser Barbaresco präsentierte sich sehr zugänglich, in der Nase regelrecht duftig. Zu würzig-holzigen Aromen gesellen sich Töne von Himbeer-Brausestäbchen, frischen Kräutern, Nelken und ein Hauch Rauch und Vanille. Im Glas sind Schwebeteilchen gut sichtbar. Bei mittlerem bis vollem Körper, mittlerer Adstringenz und langem Abgang haben wir hier einen Wein mit gut ausgebildeter, fast komplexer Aromatik, harmonischem Gesamtbild und sehr gutem Preis Leistungsverhältnis im Glas. Die kräftigen, die Himbeer/Kirschfrucht maskierenden, Tannine sind nicht adstringierend, sondern fein entwickelt, sagen aber auch: „Wir machen weiter!“ Nichts für Fruchtfanatiker. Ein schöner, „Old School“ Barbaresco. Das ist ohne weiteres 90+ Punkte wert.

1996 Aurelio Settimo Barolo Rocche
Nun aber endlich zum ersten Barolo des Abends. Der darf in elf Gemeinden gekeltert werden. Alba ist das Zentrum. Mit seinen 15 Jahren ist der aus La Morra stammende Wein vielleicht noch kein Alter Herr, zumindest aber ein Halbstarker. Dementsprechend war die Randzone auch bereits etwas aufgehellt, daneben zeigten sich im Glas bereits erste braune Reflexe. Unser Barolo Spezialist Giancarlo vergibt hier die maximale Punktzahl. Besonderheit: Der kleine Familienbetrieb verwendet ausschließlich Lampia-Trauben (eine Untersorte der Nebbiolo) aus eigenem Anbau und besitzt einen Teil des ausgezeichneten Weinbergs „Rocche“, dessen Qualitäten wir auch im letzten Wein des Abends nochmals begegneten.
Die Nase des Aurelio Settmimo Barolo erinnerte an Himbeere, Kräuter, diese imponierten fast schon ätherisch. Weiterhin sind klassische, florale Noten von Veilchen sowie Eisen erkennbar. Holztöne zeigten sich auch dem intensiv Suchenden nicht, dieser Wein scheint eher im großen Fuder als im Barrique gereift zu sein. Ganz überraschend zeigen sich nun nach einiger Zeit und Luft deutliche Anklänge von Liebstöckel und im Geschmack recht moderate Tannine, die keineswegs mehr kantig daher kommen. Dabei sehr zugänglich, mit filigraner, diffiziler Aromatik und langem Abgang ist dieser Weinen absolut trinkreif und sollte nicht mehr allzu lange im Keller darauf warten müssen, dekantiert zu werden.
Die relative Reife dieses Weines überrascht nicht wirklich, zumal Weine aus dem La Morra Gebiet eher früher reifer und die Region für zugängliche, elegante, ja feminine Tropfen bekannt ist, die am ehesten von allen Baroli recht jung getrunken werden können. 92 Punkte.

1999 Aldo Conterno Barolo1999 Poderi Aldo Conterno Barolo Colonnello
Dieser Barolo hat gewisse Spaltungstendenzen. Er überrascht mit sherry- oder portweinartiger Nase, dabei würzig, fast weihnachtlich, etwas Zimtaromen. Daneben aber auch ausgeprägte Fruchtaromen von Brombeere, Cassis und Kirsche, so dass unser einziger, bezogen auf Italien, „native drinker“ sich sicher war, dass hier jemand einen Anteil Merlot untergejubelt haben müsse. Im Geschmack dann sehr zugänglich und mündfüllend, fleischig, jedoch trotz betonter Tannine eher kein „Charakterkopf“ und nicht unbedingt paradigmatisch für einen Barolo. Dies war nun wirklich eine Überraschung, zumal Baroli aus dem Monforte D´Alba im Südosten des Barolo-Gebietes eher für Robustheit, Konzentration und ihr Alterungspotenzial bekannt sind. Als Barolo sehen wir den Wein bei 83 Punkten, als „international-modernen“ Wein bei etwa 90 Punkten. Hier stimmen Preis und Leistung leider nicht überein.

1999 Elio Altare Barolo La Morra
Auf zum Finale. Was Elio Altare hier auf die Flasche gebracht hat ist wahrlich beeindruckend. Schon in der Nase beeindruckt sein Facettenreichtum mit zunächst Fruchtaromen nach Kirsche und Pflaume, dann auch Schokolade, erdig riechend und beginnende Tertiäraromatik, entwickelt sich dieser Barolo mit etwas Luft prächtig im Glas und zeigt nun auch ätherische Aromen, die an einen Sauna Aufguss erinnern, neben zarten, gut eingebunden Holz- und Vanilletönen. Wunderschön! Am Gaumen dann betonte Tannine und kräftige Säure, die weiteres Alterungspotenzial erwarten lassen, bei mächtigem, mundfüllendem Körper und langem Abgang, der sich retronasal ausbreitet und nach dem Schlucken mehrfach verändert. Hervorzuheben ist die erstaunliche innere Dichte und der facettenreiche Fruchtkern (Amarenakirsche, Himbeere, Brombeeeren). Ein phantastischer Wein, der jede Menge Spaß macht und am Tisch für das ein oder andere „Ah“ und „Oh“ gesorgt hat. 95 Punkte

Leider Kork: 1999 Settimo Barolo Rocche1999 Clerico Barolo Pajana
Dieser Barolo hat trotz des phantastischen Vorgängers wahre Begeisterungstürme bei uns hervorgerufen und die Gießener Weingruppe gehörig durcheinander gewirbelt. Selbst nach hunderten von probierten Weinen aus aller Welt hat man so eine Qualität und Tiefe nur ganz, ganz selten im Glas. Wir haben es hier mit einem phänomenalen Barolo mit moderner Stilistik zu tun, der gleichzeitig seine klassischen Wurzeln nicht verleugnet. So zusagen „best of both worlds“. Auf der einen Seite steht eine moderne Fruchtstruktur, die aber nicht marmeladig-dick, sondern vielschichtig aufgestellt ist und sofort gefangen nimmt. Wellen von dunklen Kirschen, saftigem Cassis und Brombeeren umspülen die Zunge und vereinen sich mit Schokolade, Vanille und Röstigem zu einem den ganzen Mundraum füllenden Gesamtbild. Damit verschmelzend macht eine unglaublich intensive, weiche, ausgereifte Tanninstruktur auf sich aufmerksam, die nicht weniger als das Prädikat „edel“ verdient hat. Dazu würzige Töne von Kakao, Zimt und Minze, die sich schon in der intensiven und komplexen Aromatik der Nase (Brombeeren, Holznoten, Ätherisches) angekündigt haben. Die Krönung ist das Finale: Ein Minuten langer, nicht enden wollender Abgang lädt zum Nachsinnen ein. Man versinkt förmlich im Wein! Piemont at his best. Wie alle wirklich großen Weine wird sich dieser grandiose Barolo wohl nie wirklich verschließen und hat gleichzeitig ein enormes Entwicklungspotential. Ein hedonistischer Wein, der den Mensch mit der Welt versöhnt. 96+Punkte

Kommen wir zum letzten Wein des Abends. Der 1999 Parusso Barolo Bussia Riserva „Oro“ ist ein einzigartiger und ganz besonderer Barolo. Er wird von Marco Parusso nur in herausragenden Jahren produziert. Für den goldenen Riserva werden nur die besten Früchte handselektiert aus der legendären Rocche Lage zum Zeitpunkt der optimalen Reife gelesen. Nach der Gärung reift der Wein, wie bei allen Riservas üblich, 4 Jahre im Barrique, bevor er auf die Flasche gezogen wird. Die Nase ist irre intensiv und ungemein vielfältig. Ein Potpourri an intensiven Frühlings-Aromen entströmt dem Glas, dass es eine wahre Pracht ist. Rosenblüten, Lavendel, Veilchen, überhaupt „blaue Blüten“, Frische und Frühling stehen auf dem Programm. Dazu gesellen sich mit etwas Luft auch erdige Töne, weißer Trüffel, Waldbeeren und dezente Holzfassnoten (Vanille, Toastbrot). Weltklasse! Nach der ausgereiften und offenen Nase war die Vorfreude auf die Geschmackspalette in der Runde groß. Auf der Zunge zeigte sich überraschenderweise ein noch recht verschlossenes Geschmacksbild. Dabei vereint dieser unglaubliche Barolo eine extreme Komplexität an Frucht, Gerbstoffen und stützender Säure zu einer grandiosen Homogenität, in die man zur Zeit aber noch mehr „hineinschmecken“ muss, als dass sie sich einem auf den ersten Blick offenbart. Man steht vor einem perfekt eingerichteten Haus, schaut durch die Fenster, aber der Hausherr ist zu keiner Besichtigung zu überreden. Allenfalls wenn man besonders große Gläser anbietet, macht er die Tür zumindest einen Spalt weit auf. Der Wein ist nach 12 Jahren immer noch viel zu jung und braucht extrem viel Luft, besser noch mindestens fünf weitere Jahre Flaschenreife, um wirklich zeigen zu können, was in ihm steckt. Der heimliche Sieger des Abends. 94-96 Punkte

Fazit 1 (JR)

Barolo im klassischen Sinne ist nichts für Fruchtfans. Die Tannine überwiegen, der Wein ist herb, hat dafür aber ganz besondere Qualitäten in Bezug auf Struktur und Komplexität zu bieten. Das Pendel kann aber auch in die andere Seite ausschlagen. Relativ austauschbare Produkte mit langweiliger, eingekochter Frucht geben hier den Ton an. In der goldenen Mitte stehen die Modernisten des Barolo, die das Vergangene neu interpretieren, ohne Herkunft und Typizität zu verleugnen. Ihnen gehört die Zukunft.

Fazit 2 (BH)

Mir als Jungfrosch unter den Verkostern wurde zugetragen, dass das vielleicht die bisher beste DM-Probe überhaupt war. Und ich habe ein Gefühl für das Warum. Einzigartige Weine mit einer Säure, die in jungen Jahren Stahlmägen fordert, bevor sie mit fortschreitendem Alter menschenähnlich milder werden, um dann Eleganz und subtile Aromen zu entwickeln – und das in unbeschreiblicher Vielfalt. Aromen, die sich nicht auf den ersten Blick zeigen um nach einiger Zeit unüberriechbar aus dem Glas zu strömen, so dass man beim Trinken nicht müde und gelangweilt ist, sondern stets auf den nächsten Schluck gespannt ist ohne zu wissen, ob die Climax schon erreicht ist. In der Qualität haben wir hier mit einigen Weinen sicher ans Tor der Champions-League geklopft – bei einem Preis-Leistungsverhältnis, das sich sehen lassen kann. Die meisten Baroli werden jedoch kaum als Essensbegleiter eine Rolle spielen, da nicht viele Speisen mit ihrem zuweilen rauen Charme zurecht kommen werden. Giancarlo empfiehlt hier allenfalls weißen Trüffel oder ein Steinpilzrisotto als geeigneten Partner, schöner sei der Barolo aber in der Hand nach einem guten Essen. GC: „Im Ledersessel. Mit Zigarre.“

Ein weiteres Highlight: der Testun al Barolo von Giorgio Rivetti (La Spinetta)

Weitere Baroli bei Drunkenmonday:

1999 Gianni Voerzio Barolo „La Serra“
1993 Poderi Aldo Conterno Barolo „Romirasco“
2005 Burlotto Baroli „Acclivi“, „Monvigliero“ und „Cannubi“

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9 Antworten auf „Bigger – Better – Barolo!

  1. Hi Nico,
    zu Beginn des Artikels fehlt an zwei Stellen jeweils ein „N“:

    1. Wir haben uns in dieser Probe mit folgenden, teilweise grandiosen WeineN intensiv beschäftigt

    2. Glücklicherweise hatteN wir einen 1996er als Backup dabei –

    Bitte korrigieren.

    Danke

    Gruß
    Juergen

  2. Pingback: Recent Blog Reads – Nov/Dec 2011 — Blind Tasting Club – Wine and Dine Blog

  3. Pingback: Ein moderater Modernist? 2009 Poderi Aldo Conterno Barolo „Bussia“ | Drunkenmonday Wein Blog

  4. Danke für den Beitrag, habe nun auch einmal einen Barolo probiert, war ein grosser Fan von Amarone und Ripasso. Ein Barolo ist wirklich ein sehr guter. Hab mir daher gleich ein paar Flaschen zugelegt.

  5. Darf ich auch in diesem werten Blog los werden, dass es im italienischen KEINE Barol-i und auch keine Brunell-i gibt! Sowohl Barolo, als auch Brunello sind Eigenwörter, das in dieser Sprache NICHT mit einem i in die Mehrzahl „transportiert” wird!!

    Ein Barolo – viele Barolo … „eingedeutscht” vermehrzahlt eventuell auch BaroloS …

    Anders beim Espresso … daraus wird Espresssi, ist KEIN Eigenname!

    Ich finde es immer sehr verstörend, dass selbst rennomierte Weinkritiker, vor allem aber die allermeisten Wein-„Auskenner” in diese Falle tappen, die sich mega-peinlich liest. Es sagt ja auch niemand „ein Grüner Veltliner” und „zwei Grüne VeltlinerS” …

    also, bitte die Kirche im Dorf und die schönen BarolO im Piemont und die vielen BrunellO in Montalcino lassen

    Mille Grazie

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