(NM) KREISCH! So wird heutzutage großer Chardonnay aus dem Meursault beschrieben. Zumindest in Wein 2.0 Insider-Kreisen in diversen Facebook-Gruppen und in Bezug auf die Weine der Domaine Jean-François Coche Dury. Aus Kostengründen wird in diesem Drunkenmonday Beitrag aber kein Wein der eben beschriebenen Kreisch-Domaine dabei sein. Von Coche Dury ist sowieso immer zu wenig auf dem Markt. Dafür schauen wir uns einmal ein paar andere große Namen der Region Meursault an und entdecken auch einen möglichen neuen Superstar – inklusive detaillierteren Weinbeschreibungen. Versprochen.
Zu Beginn kurz ein paar Fakten zum Anbaugebiet Meursault. Die Meursault AOC umfasst 437 Hektar Rebfläche, von den 132 Hektar auf 17 Premier Cru (1er Cru) Lagen entfallen. Geographisch liegt es an der Côte de Beaune, etwa 10 Kilometer südlich von der Stadt Beaune und ist nach der gleichnamigen Gemeinde Meursault (etwa 1500 Einwohner) benannt. Im Süden grenzen die Gemeinden Puligny-Montrachet und Chassagne-Montrachet an. Auf nur etwa 3% der Fläche wird Pinot Noir angepflanzt, der große Rest gehört einzig und alleine dem Chardonnay. Soviel von offizieller Seite. Es wird Zeit sich den Weinen zu widmen.
Alle Weine die wir hier vorstellen wurde über den Münchner Weinhandel „Noble Wine“ bezogen und sollten dort auch noch zu beziehen sein. Wir starteten mit dem 2009 Jean-Philippe Fichet Meursault „Les Tessons“. Dieser konnte mit seiner leicht nussigen, mineralisch frischen Art und nahezu perfekter Holzintegration die Messlatte schon gleich zu Beginn recht weit oben ansiedeln. Zu der Meursault typischen „Nussigkeit“ setze sich noch ein Hauch getrockneter Oregano und Minze oben drauf. So hatten wir uns das vorgestellt. 90 Punkte gab es hierfür aus der Runde. Aus dem gleichen Haus machten wir mit dem 2008 Jean-Philippe Fichet Meursault „Les Chevalières“ weiter. Hier strömte uns eine merkwürdige Geruchsmischung aus rauchig/nussigen „Split“ Eis (Mango!) und Sahne-Karamell aus dem Glas entgegen. Im Geschmack wurde die Mango Frucht komplett von einem herb-laktisch anmutenden Nuss/Stein/Holz Wall verdeckt. Wir waren auf Grund der sehr gewöhnungsbedürftigen Aromatik hier doch recht überrascht und konnten uns auch nicht wirklich einigen, ob wir das nun gut oder nicht gut finden sollten. Ein merkwürdiger Wein. Vielleicht hat jemand mehr Erfahrung zu Jahrgang und Lage und kann hier etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.
Nach diesem kleinen Schock ging es mit folgendem Wein weiter: 2010 Le Moine Meursault „Les Chevalières“. Hier war die Welt wieder in Ordnung. Die Nase offerierte zwar auch eher ungewöhnliche Aromatik, aber die Mischung aus Nuss-Nougat, frischem Saunaholz und Minze/Evergreen gefiel uns schon deutlich besser. Am Gaumen wurde uns dann deutlich gezeigt, dass der Herr Chevalières einige Jahre zu früh aus der Flasche geholt wurde. Die Säure stand leider noch etwas außen vor, aber die Kombination aus dem Händchen für die richtige Holzdosierung und der knackigen und frischen Struktur lässt auf große Zukunft hoffen. Bitte für 4-8 Jahre liegen und die Säure sich integrieren lassen. 91+ gab es aus der Runde.
Weiter ging es mit zwei Weinen aus der Lage „Les Genevrières“, welche neben „Les Charmes“ zu den besten Lagen des Meursault zählt. Der 2008 Bouchard Père et Fils Meursault 1er Cru „Les Genevrières“ zeigte mit einer gewaltig feinen Nase, warum dies zurecht der Fall ist: Herbe Limettenschale, weißer Cassis, Himbeerblätter, etwas Wacholder, Zündplättchen und einen guten Schuss Feuerstein ließen die Nasenhaare hier Samba tanzen. Die Komplexität der Aromen ist hier extrem beeindruckend. Am Gaumen zeigt der Wein schon im Ansatz sein großes Entwicklungspotential. Aktuell sehr lebendig, vielschichtig und ausgewogen schickt er uns auf eine Tour de France in Sachen Holzausbau. Besser kann man Wein und Holz kaum kombinieren. Beide Komponenten gehen hier eine perfekte Symbiose ein. Aromatisch gibt es hier aber mit Sicherheit noch ordentlich Entwicklungsspielraum. Ein – in der Entwicklung befindlicher – großer Wein aus dem Meursault: 93+ Punkte. Mit dem 2011 Domaine Tessier Meursault 1er Cru „Les Genevrières“ wurde nun ein Geheimtipp und persönliche Entdeckung von NobleWine.de entkorkt. Und um es vorweg zu nehmen: Glückwunsch an das Team, da ist euch ein großartige Entdeckung gelungen. Diese 2011er „Les Genevrières“ Interpretation der Domaine Tessier sprengte bis dato alle Vergleiche, die ich zu dem Thema „Salz und Wein“ aufgestellt habe. Resümierend befindet sich dieser Wein gerade in seiner „Primär-Salz-Phase“, heißt, dass der kalkige Boden dieser Lage geradeaus und ohne Umwege in die Flasche vinifiziert worden ist. Ein weiteres „Wunder“ dieses Weines ist, dass neben der salzmandeligen Salzigkeit sich ein gewisser Schmelz auf der Zungenmitte breit macht und somit diesen Chardonnay zu einem Zwitter im Mund mutieren lässt. Aromatisch drückt sich das wie folgt aus: Feuerstein, Salzmandeln, gebrannte Erdnuss und rauchiger Kalkstaub. Wir hatten es hier mir einem der puristischsten und positiv „irrsten“ Weinen zu tun, die zumindest meine Zunge jemals gekreuzt hatten. Wer hier jetzt das Wort „Terroir“ nicht versteht, sollte weiter Steine essen. Großer Stoff: 94-95 Punkte.
Den Abschluss unseres Meursault Kurztrips versüßt uns Antoine Jobard – Nachwuchswinzer und Shootingstar der Region. Mit seinem 2008 Domaine Francois et Antoine Jobard Meursault 1er Cru „Les Poruzots“ schoss er komplett den Vogel ab und ließ uns die Superlativen ausgehen. Man stelle sich vor, jeder Schwenk dieses Weines im Glas bringt ein anderes Aroma deutlich zum Vorschein. „Ultra komplex“ wäre wohl die beste Wortwahl, dieses Spektakel zu beschreiben. In Summe entdeckten wir folgende Aromen: Zerlassene Butter, Pomelo, pure Zitrone, nicht süßer, aber herber Honig (?), Basilikum, Grapefruitschale, Popcorn, Currykraut, nasser Kalk, Stein-Staub, kandierter Ingwer und und und… Die wildesten Kreationen habe ich jetzt mal weggelassen. Auch die Tatsache dass mir schlichtweg die Worte für die Beschreibung des Geschmackes und Mundgefühls fehlten, hebt diesen Wein ganz klar auf Weltklasse Niveau. Meine Aufzeichnungen geben in diesem Zusammenhang nur folgende Worte her: Kraftvoll aber doch elegant, rund, extrem geschliffen, dazu animierend frisch, mit das Beste was Chardonnay werden kann, großartig, irrsinnig komplex und auf dem Weg zur Perfektion. Dieser Wein fordert und verwöhnt zugleich. 95+ Punkte: Kategorie Weltspitze! Der letzte Wein der Probe holte uns (Gott sei es gedankt) wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Der 2008 Domaine Francois et Antoine Jobard Meursault „En La Barre“ konnte das hohe Niveau der vorherigen Weine nicht ganz halten und wirkte mit seinem etwas reifen und fruchtigen Stil an dieser Position der Probe Fehl am Platze. Er erinnerte am ehesten am die kräftigen und breiten Chardonnays aus z.B. Kalifornien, konnte aber dennoch mit einer präziseren und fokussierten Säure am Gaumen aufräumen. Abschließend vielleicht der Wein mit dem größten „Pleasing“-Faktor für die breite Masse, denn er schaffte es seinen Charme relativ leicht verständlich uns mitzuteilen. 89 Punkte. Das passt.