Ran an den Stoff – 100 % Cabernet Franc

Cabernet Franc(JR) Der würzig-fruchtige Cabernet Franc gehört aufgrund seiner klimatischen Genügsamkeit zu den am weitesten verbreiteten Rebsorten weltweit. Nah verwandt mit dem Cabernet Sauvignon findet er aber überwiegend als Verschnittsorte Verwendung. Er trumpft überall dort auf, wo der Cabernet Sauvignon, zum Beispiel durch kühles Klima, nicht immer richtig ausreift: Etwa in Saint-Emilion und Pomerol. Hier trägt er in guten Jahren viel zum Cuvée des Cabernet Sauvignon und Merlot bei. Cheval Blanc und Ausone weisen dann Cabernet Franc-Anteile von bis zu 60% auf und gehören zur qualitativen Spitze ihrer Region. Auch Freunde italienischer Weine werden der Sorte schon begegnet sein: Der Mischsatz aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc feiert in Südtirol, im Trentino oder als Super-Toskaner „Solaia“ große Erfolge.

Dennoch steht Cabernet Franc quasi als “Underdog“ im ewigen Schatten des deutlich bekannteren Cabernet Sauvignon. Reinsortig in trinkbaren Qualitäten findet man ihn daher eher selten. Eine große Ausnahme bildet u.a. die Loire. Hier stehen Saumur, Chinon oder auch Bourgueil für exzellenten 100%igen Cabernet Franc Genuß.

Langlois Chateau Cremant de Loire Brut RoséDer „non vintage“ Crémant de Loire Samur Langlois brut rosé ca. 12.-€ – optimal serviert bei 6 bis 8 Grad Celsius – ist hierfür ein schönes Beispiel. Um der klassischen Flaschengärung außerhalb der Champagne einen Namen zu geben, wurden in Frankreich in den 70er Jahren die Crémants mit am Champagner angelehnten, exakt definierten Produktionskriterien erdacht. Der Langlois brut rosé wird zu 100% aus Cabernet Franc Trauben hergestellt, die nach 12 Stunden Mazeration für 18 Monate auf der Hefe liegen. Lachsfarben, reizvolle Noten von kleinen roten Früchten, elegant und raffiniert kommt dieser äußerst gelungene Rosé-Crémant daher. Sogar Anklänge von Tannin und Toastaromen kann man hinter der feinen, lang anhaltenden Perlage entdecken. Nicht nur als klassischer Aperitif, sondern auch zu exotischen Gerichten oder Süßspeisen eine Wucht. Sehr überzeugendes Preis-Genuss-Verhältnis! 87 Punkte

Über die Südpfalz Connexion haben wir ja schon berichtet. Hans Hengerer, aufstrebender Jungwinzer aus Heilbronn, von dem gleich zu reden sein wird, ist ebenfalls Gründungsmitglied einer progressiven Winzergruppe. Zusammen mit vier Gleichgesinnten hat er bereits im Frühjahr 2001 die „Junges Schwaben“ ins Leben gerufen. Sicher ein Thema für einen DM Blogbeitrag. Nico?
Sein 2008 Kistenmacher & Hengerer „Frederic“ ca. 12.-€ ist ein gelungener, feiner Wein, der zeigt, was Cabernet Franc aus Deutschland zu leisten vermag. Obwohl die Nase nicht sehr intensiv ausgefallen ist – rote Beeren sowie etwas Tabak und Paprika sind die Stichworte – kann der Wein durch seine Würze und spannende Säure überzeugen. Spannend deshalb, weil der erste Eindruck auf der Zunge eher weich ist, da die Gerbstoffe nicht Vordergrund stehen. Im zweiten Schluck macht dann die Säure durch einen frischen Charakter auf sich aufmerksam. Der eher schlanke Wein schiebt im Abgang eine dezente Pfeffernote nach und ist auch am 2. Abend aus der geöffneten Flasche mit Genuß zu trinken. Ein hochwertiger Essensbegleiter zu vielen leichteren Gerichten mit Gemüse und hellem Fleisch. Auch zu Thunfisch eine Überlegung wert. Empfehlung an die Gastronomie. 86 Punkte

Dass Wein auch in Kanada erfolgreich angebaut wird, hat uns DM Mitglied Marc Colavincenzo (mit kanadischen-italienischen Wurzeln) bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Die Region Niagara steht nicht nur für eines der großen Naturschauspiele unserer Erde, sondern auch für professionellen Weinanbau.

Der 2007 Pillitteri Estates Winery VQA Niagara ca. 15.- € ist ein reinsortiger Cabernet Franc, der mit einer interessanten Nase von eingekochten Früchten und Ledersattelaromatik daherkommt, im Gaumen aber nicht so richtig überzeugen konnte. Viel primäre, eingekochte rote Frucht, sehr dicht und holzbetont, Vanille und ein recht gefälliger, mittellanger Abgang stehen auf dem Notizzettel. Man muss schon Lokalpatriot sein, um hier noch die Typizität des Cabernet Franc herausschmecken zu können. Vielleicht ist das aber auch nicht die Absicht dieses „Überseeweins“, der wegen seiner Geschmeidigkeit sicher manche(n) Liebhaber(in) finden wird. 81 Punkte

Zurück an die Loire.

Thierry Germain ist Sohn einer wohlhabenden Bordelaiser Winzerfamilie. 1991 entschied er sich, Bordeaux den Rücken zu kehren und kaufte die Domaine des Roches Neuves. Anfänglich war es kein leichter Weg, denn seine Weine hatten trotz oder wegen der eingesetzten, modernen Kellertechnik zwar Kraft und Qualität, aber es fehlten die Emotionen und die Eigenständigkeit. Nach einem Lernprozess der biodynamischen Wirtschaftsweise zugewandt, ist für ihn jetzt klar, wie Wein erzeugt werden muss, der den Genießer mit Begeisterung und Enthusiasmus erfüllt: Verzicht auf Herbizide und Pestizide im Weinberg ebenso wie auf Reinzuchthefen im Keller. Mit, nicht gegen die Natur, lautet die Devise.

Der 2007 Terres Chaudes Samur Champigny Domain des Roches Neuves Thierry Germain ca. 16.-€ lag zwei Jahre im großen Hozfass und ist ein frischer, spannender, eher schlanker Wein mit toller Mineralik. Unfiltriert auf die Flasche gezogen, zeigt dieser typische Cabernet Franc eine interessante Nase von Paprika, dunklen Beeren, Tabak, Zedernholz und etwas Graffit. Der Wein hat Tiefe, ist aber noch nicht richtig ausgereift, was das Nebeneinander von Gewürzen, Früchten, präsenten Tanninen und Säure zeigt. Er braucht Zeit im Glas, um sich zu öffnen, dann kommt auch die Johannesbeerfrucht immer besser zur Geltung. Idealer, vielseitiger Essensbegleiter, der wegen seiner Mineralik und Gerbstoffe einen schönen Kontrapunkt zu Röstaromen bildet. 89+ Punkte

2006 La Mar Gi Nale Thierry Germain ca. 27.-€ ist quasi der große Bruder des Terres Chaudes mit einem lustigen Wortspiel im Titel. Die Aromen hinterlassen den Eindruck eines Paktes, das nicht sortiert ist. Rote Früchte, Holz, Veilchen, Paprika, Lakritze und eine dezente Mineralik strömen aus dem Glas. Mit schöner Fruchtsüße liegt er auf der Zunge. Für einen reinsortigen Cabernet Franc ungewöhnlich füllig, kraftvoll und saftig. Tolle Extraktion, langer Abgang. Eleganz ausstrahlend, zeigt der Wein geschliffene Tannine und eine präsente Säure. Viel Potenzial. 90+ Punkte

2006 Chinon Clos de Turpenay ca. 15.-€
Die Vinifikation für diesen Cabernet Franc erfolgt ausschließlich im Eichenfass. Die Trauben stammen von Hängen mit lehmigen Kalksteinboden und einem Plateau aus Sand und Kalkstein. Das Ergebnis ist ein dichter Wein, der in der zarten Nase mit Kirschen, Vanille, Süßholz, Zimt- und Anisnoten zu überzeugen versteht. Am Gaumen setzt sich die Kirschfrucht etwas zu dominierend fort und erinnert an „Mon Cheri“ Pralinen. Darunter liegen schöne würzige Noten. Die Gerbstoffe sind recht adstringierend ausgefallen, werden sich mit etwas Flaschenreife aber sicher noch besser integrieren. Ein guter Wein, der aber im Vergleich etwas eindimensional daherkommt. 87 Punkte

2006 Château de Coulaine Chinon Les Picasses ca. 16.-€
Hier treffen sich alte und junge Reben: ein Teil stammt von über 80 Jahre alten Rebstöcken, der anderer Teil ist erst 10 Jahre alt. Das Ergebnis ist ein voller, dichter Chinon, der wegen seines Charakter aber sicher polarisiert. So ist denn auch das, was an Düften aus dem Glas strömt zwar irre intensiv, aber alles andere als typisch für Cabernet Franc. Notiert habe ich folgende Stichworte: animalisch, abgründiger Stallgeruch, phenolisch, Gummi, Schweiß, Kirsche, laktisch, Holz, Vanille, Kräuter, floral, Paprika. Animierend oder distanzierend ist hier die Frage. Am Gaumen zeigen sich primär dunkle Beeren, Cassis und Sauerkirsche mit leicht süßlichem Fruchtkern. Das Holz ist gut eingebunden, die harte Säure passt aber nicht so recht zu den sanften Tanninen. Noch eine Besonderheit: Der konzentrierte Wein hat ein explosives Entreé auf der Zunge, um sich dann aber ungewöhnlich schnell zu verabschieden. Auch der Abgang fällt recht kurz aus und bringt leichte Bittertöne und etwas Schokoladiges mit in´s Spiel. Ein ungewöhnlicher Chinon, den man liebt oder hasst. Keine Punkte.

Drei Namen, Zwei Winzer, eine Geschichte. Die Rede ist vom 2004 Clau de Nell Anne Claude Leflaive et Claude Pichard Vin de Table ca. 26.-€ .
Der erste Name ist vielen französischen Weinkennern sicher nicht unbekannt. Anne-Claude Leflaive, die Leiterin der zur Weißwein-Spitze Frankreichs zählenden Domäne Leflaive, hat den Betrieb bereits Ende der 80er Jahre auf Biodynamik umgestellt. 2005 wird sie auf den aus dem Burgund stammenden Claude (Clau) Pichard aufmerksam, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Nelly (Nell), in Anjou biodynamische Weine mit Charakter und Persönlichkeit erzeugt, wirtschaftlich aber leider auf die Nase gefallen ist. Anne-Claude Leflaive ist von der Qualität begeistert und entschließt sich, das Weingut zu kaufen. Die Domäne Clau de Nell, benannt nach den beiden Gründern, wird von diesen weitergeführt, Anne-Claude übernimmt die wirtschaftliche Seite und berät in oenologischen Fragen. Die finanzielle Situation des Weingut hat dazu geführt, dass 2006, 2007 und 2008 so gut wie kein Wein produziert wurde. Wir haben also tatsächlich einen „aktuellen“ Jahrgang auf dem Tisch, der erst nach vier Jahren Fassreife auf den Markt gekommen ist.

Die schwere Flasche ist ein Statement, das die Deklarierung als Tafelwein ad absurdum führt.
Ebenso die Nase: Erbeeren, Liebstöckel, Sellerieblatt, sowie etwas Tabak und phenolische Noten machen Lust auf den ersten Schluck. Eindrucksvoll, diese Dichte bei gerade 12% Alkohol. Der Wein ist bereits schön gereift, wirkt geschlossen, tief und ausbalanciert. Intensive rote Beerenfrüchte ohne Grüntöne mit der typischen Cabernet Franc Würze. Die Säure trägt den Wein ohne hervorzustechen und verleiht eine belebende Frische. Die Mineralität hält alles zusammen. Und diese Tannine, unglaublich. Selten hat man so etwas auf der Zunge. Intensive aber nicht adstringierende, sehr sehr edle Gerbstoffe sind das. Der Abgang steuert Schokolade, Pfeffer, Erbeere und Zedertöne zu diesem Weinerlebnis bei. Ein faszinierender Wein von großem, fast melancholischem Charakter. 94 Punkte

Frage der Auswahl oder Triumph der Loire?

Heller, dünner, tanninarmer Rotwein mit grünen Noten – all das, was man Cabernet Franc andichtet, findet man eher nicht an der Loire. Hier zeigt die Traube ihre ganzes Spektrum an Möglichkeiten auf. Und die sind beeindruckend. Kein Wunder, dass Charakterköpfe hier ihre Heimat gefunden haben und eigenständige, reinsortige Weine erzeugen, die Emotionen wecken. Aber auch in anderen Anbaugebieten kann Cabernet Franc überzeugen und vielleicht dazu beitragen, den Status des Underdogs zu verlassen. Für Neugierige, Entdecker und Genießer ein weites Feld, das es bei angenehmen Preisniveau zu entdecken gilt. Ran an den Stoff!

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4 Antworten auf „Ran an den Stoff – 100 % Cabernet Franc

  1. Eine schöne Probe, die sich in einigen Weinen und den meisten Bewertungen mit dem deckt, was wir vor einiger Zeit probiert haben: http://www.originalverkorkt.de/2011/02/cabernet-franc-raus-aus-dem-schatten-der-eigenen-kinder/
    Und es zeigt, wieder einmal, finde ich, das die Loire als Weinbaugebiet für Chenin Blanc und Cabernet Franc hier in Deutschland chronisch unterschätzt wird, obwohl man dort wenn auch keine günstigen, so doch vom Preis-Genuss-Verhältnis geradezu Schnäppchen bekommen kann.

  2. Hallo Christoph,
    da stimmen wir dir voll und ganz zu – die Loire ist DER Underdog in Deutschland. Wir glauben, dass es auch ein wenig an der deutschen Weinrenaissance liegt, dass die Aufmerksamlkeit für die Loire doch sehr überschaubar ist.
    Nichtsdestotrotz ist diese Region gerade für „cool climate“ Liebhaber eine wahre Schatztruhe 🙂

  3. ein echter Tipp sind auch die ungarischen Cabernet Francs. Z.B. der Frettner von Weninger oder einige der Weine von Sauska. Der CF behält hier oft mehr Struktur und Säure als der CS.

  4. So, den Langlois Cremant Brut Rose habe ich nach eingehender Beratung (in Linden:-) für die Feiertage hier stehen. Bin gespannt, da ich sonst nur Winzersekte oder Moet&Chandon und Konsorten kenne.

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