(NM) Wir trinken gerne Champagner. Wenn man sich aber die Marken-Präsenz von Champagnern in den bekannten Medien so anschaut, wird es schnell langweilig. Jedes It-Girl, jeder reiche Schnösel-Sohnemann und jeder seriöse Geschäftsmann (neudeutsch: Unternehmer) incl. aufgespritzter Gattin stößt auf dem Pseudo-Promi-Empfang in den RTL II Szene News immer nur mit den zwei gleichen Marken an: Moët & Chandon oder Veuve Clicquot. Die Inbegriffe des Champagner Mainstreams. Im Millionärsclub auf N-TV gibt es dann evtl. mal einen Dom Pérignon (ebenfalls aus dem Hause Moët & Chandon) zu sehen. Langweilig. Dabei gibt es so viele großartige und weitaus spannendere Champagner zu entdecken. Heute richtig sich unser Blick auf eine kleines, aber durchaus interessantes Champagner Haus: Legras et Haas.
Legras et Haas ist kein Champagner Haus mit großer Historie. Der Familienbetrieb produziert seit 1991 Champagner in Chouilly, der einzigen Grand Cru-Gemeinde, in der ausschließlich Chardonnay angebaut werden darf. Der große Fokus der Familie liegt somit auf dem Blanc de Blanc. Heute sind neben François Legras und Brigitte Haas auch ihre drei Söhne Rémi, Olivier und Jérôme in dem Unternehmen tätig. Jeder der drei männlichen Nachkommen besitzt eigene Weinberge und trägt somit seinen Teil an der Qualität der Weine und letztendlich an dem Erfolg des Hauses Legras et Haas bei. Doch Papa François bildet mit fast 60 Jahren Weinerfahrung überliefert durch 7 Generationen die Winzerseele der Familie.
Die Probe umfasste das gesamte Sortiment von Legras et Haas. Insgesamt sechs Champagner. Im Detail waren dies:
N.V. Legras et Haas Cuvée Tradition
N.V. Legras et Haas Rosé
N.V. Legras et Haas Blanc de Blanc Grand Cru Brut
N.V. Legras et Haas Blanc de Blanc Grand Cru Extra Brut
2005 Legras et Haas Blanc de Blanc Grand Cru Brut Millésime
N.V. Legras et Haas Cuvée Exigence
Wir starteten mit der Cuvée Tradition. Sie ist ein Blend aus 50% Chardonnay, 25% Pinot Noir und 25% Pinot Meunier. Die Dosage beträgt 7 g/l. Der Wein zeigt sich frisch, knackig und erfrischend. Ein rehabilitierendes Getränk mit straffer Säure, viel grünem Apfel und etwas Zitrus. Die Hefe/Briosch Aromatik ist nur sehr leicht vorhanden. Wer einen erfrischenden und unkomplizierten Champagner für um die 25€ sucht, ist hier sehr gut aufgehoben! Im Schnitt gab es 87 Punkte aus der Runde. Nicht so happy waren wir mit dem Rosé aus dem Hause Legras et Haas. Auch hier finden wir einen Blend aus 50% Chardonnay, 25% Pinot Noir und 25% Pinot Meunier mit 7 g/l Dosage. In der Nase vermissten wir die Rosé typischen fruchtigen Noten von roten Beeren. Er wirkt eher kalkig und erinnert an Malzbonbon. Zwar kann man auch ihm eine gewisse Frische nicht ausreden, aber durch den recht säurebetonten und neutralen Geschmack am Gaumen macht er nicht viel Freunde. Ein recht beliebiger und wenig spannender Rosé Champagner. 84-85 Punkte.
Deutlich besser wurde es mit dem Non Vintage Blanc de Blanc Grand Cru Brut. Logischerweise 100% Chardonnay aus Grand Cru Lagen. Hier fanden wir sehr schöne Blanc de Blanc Noten in der Nase: Limette, frischer Brotteig, Muskat, Muschelschalen und eine leichte Meeresbriese wusste zu gefallen. Am Gaumen wurde es dann ausgeglichen cremig, weich und dicht, mit feiner Perlage und guter Säure/Schmelz Balance. Für unter 30€ ein toller Champagner! 90-91 Punkte vom Tisch. Etwas enttäuschter waren wir von der Blanc de Blanc Grand Cru Extra Brut Version. Hier wurde das Augenmerk ganz klar auf einen geradlinigen, fokussierten und kargen Stil des Champagner gelegt. Alles wirkte sehr kalkig, stahlig, durchaus „wertig“, aber irgendwie zu einfach und eindimensional um uns zu überzeugen. Ein gutes Produkt, keine Frage. Doch irgendwie ließ er uns Spiel und Vielfallt vermissen. ~88 Punkte.
Zum Schluss wurden die „BigBoys“ geköpft. Auf dem Papier konnte der 2005 Legras et Haas Blanc de Blanc Grand Cru Brut Millésime schon einmal Punkten: Ein Jahrgangs Grand Cru Champagner für unter 35€! Das ist mal ein Wort. Auch im Glas dann keine Enttäuschung! Die Nase überzeugte mit schönen Hefe/Briosch Noten, reifer Birne, Limettenschale, weißen Blüten und etwas Lakritz. Am Gaumen dann ein großartiges Spiel von Schmelz und feiner Perlage. Er wirkte recht weinig und cremig, mit schönen Orangenschalen Aromen und etwas das an Schokolade erinnerte?! Eine logische und nachvollziehbare Qualitätssteigerung zu dem Non Vintage Blanc de Blanc Grand Cru. Hier gibt es viel Champagner fürs Geld! 91+ Punkte! Doch den Vogel schoss der letzte Wein im Feld ab: der N.V. Legras et Haas Cuvée Exigence! Er ist eine Assemblage aus 50% Chardonnay Grand Cru und 50% Pinot Noir Grand Cru Ay. Die Dosage beträgt auch hier 7 g/l. In der Nase ein Gewitter an Aromen: Viel frische Haselnuss, reife Mango, Rosinen und Bäckers bester Hefezopf ließen uns das Wasser im Mund zusammen laufen! Am Gaumen dann „power without weight“. Ein dichter und reifer Champagner trifft auf Eleganz getragen von allerfeinster Perlage. Ein imaginäres Streichkonzert im Frankfurter Technoclub „Cocoon“ kommt mir hier in den Sinn. Die „Top-Cuvée“ des Hauses, welche den Namen zu Recht trägt. Großes Champagner Kino! Für um die 50€ ein wahres „Schnäppchen“ in der meist überteuerten Welt der Edelbrausen. 93-94 Punkte und Applaus vom angeheiterten Tisch. Ein wunderbarer Abschluss des Abends!