Dieser Artikel ist unser Beitrag zu aktuelle Weinrallye #101: Herzensweine. Gastgeber sind wir selbst, der Drunkenmonday Weinblog.
(NM) Der Arbeitsplatz eines Winzers bewegt sich in der Regel zwischen Weinberg, Weingut und Weinverkaufsveranstaltung. In durch Wände, Dächer, Türen und Toren räumlich getrennten Einhausungen kann er Temperatur und Luftfeuchtigkeit meist selbst bestimmen, ist also nicht auf Mutter Natur angewiesen. Sogar die Wunschwärme bzw. Kälte der Gärung im Stahltank kann bei guter Ausstattung der Gerätschaften mitgegeben werden. Draußen im Wingert sieht das für seine Trauben natürlich ganz anders aus.
Wünsch dir was.
Der beste Freund des Winzers ist ein gut gestimmter Petrus. Warm im Frühjahr, moderater Regen in den Sommermonaten und ein Bilderbuch Spätsommer inkl. goldenem Oktober darf es gerne jedes Jahr sein. Doch leider erfüllt sich der Traum der optimalen Vegetationsperiode nur in den wenigsten Jahren. Immer häufiger hat der Winzer mit Frostnächten wärend der Blüte, Wochen ohne Regen, Dauerregen während der Ernte oder heftigem Hagel zu tun. Diese Wetter Kapriolen können nicht nur die Qualität eines Jahrgangs stark beeinflussen, sondern im schlimmsten Fall bei Frost und Hagel die Existenzen vieler Winzer gefährdena – da hilft auch kein Bio oder nachhaltiges Wirtschaften mehr. Beim Wetter hört der Einfluss des Winzers nun mal auf.
Hoffnung, Herz und Hagel
Doch kommen wir nun zu unserem Herzenswein. Verantwortlich für diesen ist der Winzers Andreas Tscheppe vom gleichnamigen Weingut in der Südsteiermark. Das Weinjahr 2016 entwickelt sich zunehmen zum absoluten Abtraumjahr für seine Region. Erst gab massiven Frost Ende April in Mitten der Blüte, wobei ein Großerteil der Austriebe abstarben. Dann im August 2016 traf ein Unwetter mit heftigem Hagel ebenfalls die Südsteiermark. Auch hier gab es große Schäden an den Trauben, welche sich dem Frost wiedersetzt hatten. Somit steht unsere heutiger Herzensweine stellvertretend für die gebeutelten Winzer der Steiermark. Es ist der 2013er Andreas Tscheppe Sauvignon Blanc „Grüne Libelle“.
Andreas Tscheppe gibt seinen Weine Namen der Nützlinge seiner Weinberge. Die „grüne Libelle“ ist hierarchisch gesehen der große Bruder der „blauen Libelle“. Als dritter Sauvignon Blanc komplettiert der Hirschkäfer (im Erdfass ausgebaut) die Linie. Alle Weine baut Andreas nach biodynamischen Grundsätzen an und aus. Zudem verweilen sie lange auf der Hefe im Fass und werden unfiltriert und ungeschönt abgefüllt. Heute würde man dazu „Naturweine“ sagen. Doch Andreas macht da keinen Hehl daraus. Für ihn ist das Begleiten des Weines in seiner Entstehung wichtiger wie das Eingreifen.
Libelle im Glas!
Die 2013er „Grüne Libelle“ kommt im Glas strohgelb mit leuchtenden hellgoldenen Reflexen daher. Schon die farbliche Präsenz ist beeindruckend. Ähnlich dem repräsentierten Tier, welche schon mit seiner reinen Anwesenheit für Aufmerksamkeit sorgt. Die Nase verwirrt und entzückt zugleich. Wer einen intensiven, knall-fruchtigen Sauvignon Blanc erwartet hat, wird hier vergeblich nach Stachelbeere, Gras und Kiwi Fruchtsalat suchen. Die Fruchtnoten sind zwar inmitten dieses Konglomerates an aromatischen Verwindungen enthalten, spielen aber höchsten Falls die zweite oder dritte Geige. Vielmehr ist es diese wilde Mischung aus der Kräuterwiese, Heublume, Aprikose und Mineralischer Würze und Rauchigkeit welche mich so fasziniert. Die Nase lässt sich kaum noch vom Glas Rand lösen.
Libelle im Mund?
Gibt man der Libelle Zeit sich im Mund zu entfalten (natürlich im übertragenden Sinne gemeint), merkt man sofort das der Wein Multidimensional unterwegs ist. Da ist in Dimension Eins die leicht wilde Lebendigkeit, getrieben und getragen von der famosen Säurestruktur und der würzigen, fast schon salzigen Mineralik des Opok/Muschelkalkbodens. Das lange Hefelager gibt eine wunderschöne Dichte, Cremigkeit und Länge, welches gerne als 2. Dimension bezeichnet werden kann. Dazu suggeriert eine gewisse strukturelle Festigkeit und Kraft ein langes Leben. Alle Komponenten stehen im richtigen Verhältnis zueinander. Ich muss aber unbedingt hinzufügen, dass ich dem Wein vor dem Genuss etwa 90 Minuten Zeit in einer Karaffe gegeben habe, damit sich die Aromen Welt bereit macht erschlossen zu werden. Tscheppes Weine können ohne Probleme auch mehrere Tage offen im Kühlschrank verweilen, da sie mit Sauerstoff Zufuhr sich stetig wandeln. Für mich war diese „Grüne Libellen Erfahrung“ schlussendlich locker 93 Punkte wert. Doch viel wichtiger als alle Punkte dieser Welt ist es ein Wein der mich packt, fasziniert und berührt – ein echter Herzenswein also!
Support!
Den 2013er Andreas Tscheppe Sauvignon Blanc „Grüne Libelle“ kann man für 25€ bei Vinaturel erwerben. Ich empfehle dringend auch noch den 3€ „teuren“ Frost Zuschlag dazu zu kaufen. Das Geld wird direkt an den Andreas Tscheppe weiter gegeben, um die enormen Ausfälle der anstehenden 2016er Katastrophen Ernte wenigstens zum Teil zu kompensieren. Der Winzer dankt es ihnen.
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