Bei der unüberschaubaren Weinauswahl auf dem deutschen Markt fällt es mir wirklich schwer, gewisse, mir „interessante“ Weine über einen Jahrgang hinaus zu verfolgen. Zu groß sind die Auswahl und der Reiz an dem Neuen und Unbekannten. Zudem lässt die schiere Informations-Überflutung auf Facebook, Twitter und co. uns stündlich vergessen, was wir letztes oder gar vorletztes Jahr richtig gut fanden. Man reitet auf der Welle schier unendlicher Auswahl durch das Meer des Weines. Doch sollten wir aber durchaus öfter zurück zu dem Bekannten und Vertrauten gehen und die Entwicklung im Mikrokosmos Weingut mit offenen Augen zu verfolgen. Denn dort kann sich über nur wenige Jahre ganz erstaunliches abspielen. Bestens belegbar an den Großen Gewächsen des Wein- und Sektgutes Barth.
Tradition verpflichtet.
Die drei Riesling GG’s aus dem VDP Wein- und Sektgut Barth haben auf unserem Blog so etwas wie Tradition. Im vierten Jahr in Folge widmen wir uns diesen drei Riesling Großen Gewächsen aus den Lagen Hattenheimer Hassel, Hallgartner Schönhell und Hattenheimer Wisselbrunnen mit Andacht, Ruhe und Zeit. Sicher könnte man anstelle drei GG’s auch 10, 15, 35 oder alle solcher Gewächse aus einem Jahrgang in einem Artikel abhandeln. Dies aber würde in meinen Augen weder den Weinen, noch dem Anspruch dahinter gerecht werden. Des Weiteren hat so eine konsistente Betreuung einzelner Weine auch den großen Vorteil, über Jahre hinweg die stilistische Entwicklung eines Weingutes und – in diesem Fall – deren drei trockenen Riesling Spitzen zu dokumentieren. Somit verweise ich hiermit mit mehr als nur dem Anspruch des Hervorholens historischer Drunkenmonday Artikel auf die Geschichte der drei oben genannten Weine aus dem Jahr 2011, 2012 und 2013.
2014 Barth Hattenheimer Hassel Riesling Großes Gewächs
Legen wir los. Wenn man sich die Verkostungsnotizen des Hassel GG’s aus 2011 und 2012 einmal im Vergleich anschaut, kann man für den Jahrgang 2013 und vor allem 2014 eine stilistische Änderung des Weines erkennen. Im direkten Vergleich zu 2013 war der 2014er Jahrgang ähnlich schwierig, doch konnte eine reifere Säure die Weine harmonischer ausfallen lassen. Die auf tiefgründigem Löß und Löß-Lehm Boden wachsenden Trauben aus der VDP.Große Lage Hattenheimer Hassel wurden Mitte Oktober mit einem Ertrag von 33 Hektolitern pro Hektar gelesen. Nach der Spontangärung verbrachte der Wein bis in Frühjahr 2015 auf der Vollhefe in einem Stockinger Stückfass. Das Resultat ist zeigt sich aktuell wie folgt. Die Nase ist klassisch Hassel. Feines Limetten-Spiel aus Frucht und Schale, Physalis, grüner Apfel, etwas Currykraut, ganz leicht Heu und feinsteiniger Mineralik. Aktuell sehr verspielt und komplex. Am Gaumen ist das 2014er Hassel Riesling GG von Barth sehr klar und fokussiert ohne ein Gramm Speck auf den Hüften. Vibrierend und energetisch, rassig dank reifer Säure und dennoch balanciert lässt der Wein förmlich das Wasser im Mund zusammen laufen. In Punkto Länge wird sich mit der Reife sicherlich noch einiges tun. Aktuell gewinnt aber der nasale Eindruck über den Geschmacklichen. Abwarten! 91+ Punkte.
2014 Barth Hallgartner Schönhell Riesling Großes Gewächs
Das Hallgartner Schönhell Riesling Große Gewächs hat sich heimlich über die Jahre zu meinem Lieblings-GG aus dem Hause Barth gemausert. Und irgendwie hatte Mark Barth auch Recht, als er diesem GG schon 2011 eine große Zukunft versprochen hatte. Man sollte eben öfter mal auf den Winzer hören – wenn er Recht hat. In der 2014er Version findet dieser Wein in meinen Augen seinen Höhepunkt bis dato. Der Ertrag lag auf Grund von penibler Selektion bei nur 16 Hektoliter pro Hektar. Die Nase ist eine Sensation! Es riecht wie in einem Kräuterbeet. Absolut irre ist die Kombination aus Majoran, Kerbel, Currykraut und minimal Liebstöckel. Darunter liegt diese klassischer Schönhell „Rheingauer Riesling Frucht und Würze“, welche den Wein ohne Zweifel aromatisch in seine Heimat katapultiert. Wo dazu noch diese kühle und ätherische Zitronen-Melisse Note herkommt – keine Ahnung. Was für eine großartige Nase! Im Vergleich zum Hassel geht es am Gaumen etwas fülliger und stoffiger zu. Der Wein besitzt sogar eine leichte Cremigkeit bei deutlich mehr Substanz. Die Säure und Mineralik sind gut im kräftigeren Körper integriert. Alles wirkt sehr durchgängig und persistent. Im Abgang gibt es dann einen leichten Gerbstoff-Gripp. Wow, das ist richtig gut! 93+ Punkte.
2014 Barth Hattenheimer Wisselbrunnen Riesling Großes Gewächs
In der Fachpresse ist der Wisselbrunnen der heimliche Star dieses Trios. Konsequent, knall trocken (1 Gramm Zucker / Liter!) und extrem puristisch sorgt er in vielen Lagern für euphorische Kundgebungen. Auch hier liegt der Ertrag bei nur 16 Hektoliter pro Hektar dank akribischer Selektion der Trauben. Wie bei den anderen beiden GG’s auch, verweilte das Wisselbrunnen Riesling GG ebenfalls bis Frühjahr 2015 auf der Vollhefe und wurde im Juli des gleichen Jahres abgefüllt. Gleich vorne weg: Dieser Wein zeigte sich in der Probe aktuell am schwierigsten und am wenigsten kooperativ. Die Nase gab einen Mix aus viel herber Zitronenschale, Zitronenmelisse und Zitronen-Minze her. Die Mineralik war deutlicher und intensiver als im Schönhell GG vertreten. Insgesamt wirkte er kühl, aber zurückhaltender und schwieriger aromatisch zu definieren wie die anderen beiden Weine. Ein Mitverkoster sagte, es würde wie ein nasaler Spa-Besuch riechen. Da lasse ich mal so stehen. Auch am Gaumen ging es aromatisch am wenigsten entwickelt zu. Es war wie eine Achterbahnfahrt der haptischen Geschmackseindrücke. Am Ende steht der berühmte Wisselbrunnen Fallschirm, der sich wie ein Frischeparadies am Mundraum ausbreitet. Das beste Riesling Mundwasser der Welt. Dieses enorm Erfrischende darf man ruhig als absolutes Qualitätsmerkmal einstellen. Ein spannender und aktuell noch nicht voll zu begreifender Riesling. Time will tell. 91-92+ (?) Punkte.
Historie.
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