Andächtiges Schweigen: Jülg Pinot Noir

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(NM) Flaggschiff, Icon-Wein, Grand Reserve – wie sie alle heißen – die Top-Weine vieler (auch Deutscher) Winzer haben in der Regel eines gemeinsam: das meiste Holz, den dichtesten Körper, die konzentrierteste Frucht – sprich den meisten „bang for the buck“. Denn wir wissen ja alle: je hochwertiger ein Wein, umso mehr muss es im Esszimmer rappeln. So predigen es zumindest Wein-Konzentrations-Gurus wie Robert Parker oder Michel Rolland. Dass darunter natürlich auch schwer greifbare Wein-Qualitäten wie Eleganz, Finesse oder Leichtigkeit leiden, ist klar. Doch gerade beim Thema Spätburgunder / Pinot Noir ist weniger „Bang for the buck“ bekanntlich mehr.

Genau diesen erfreulichen Ansatz fährt auch das Weingut Jülg aus dem Südpfälzischen Schweigen. Quasi-Nachtbar Fritz Becker zeigt schon seit geraumer Zeit, dass aus diesem Fleckchen Deutschland ganz beachtliche Spätburgunder kommen können. Der Kellermeister des Weingutes Jülg – Johannes Jülg – machte über Stationen wie Theo Minges, Weegmüller, Keller, Stodden und Clemens Busch nun zuletzt auch halt im Burgund auf der Domaine des Lambrays. Und so abgedroschen diese Phrase auch klingen mag, die drei von mir verkosteten Spätburgunder von Johannes sind so burgundisch Deutsch, wie es ein Spätburgunder aus unseren Landen nur werden kann. Was das im Detail bedeutet? Lest und überzeugt euch selbst!

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2011 Jülg Spätburgunder -R-
Der Spätburgunder -R- ist der erste von drei „Premium“ Spätburgundern des Hauses. Auf Grund der Nähe zu Frankreich wachsen die Reben für diesen Wein zu 100 % auf französischem Kalkstein-Boden. Gelesen wurde händisch Mitte September (um Säure zu bewahren) mit 93 Oechsle und 45 hl/ha. Nach dem entrappen, Spontangärung und 14 Tage auf der Maische, durchlief der Most auch noch spontan einen BSA. 18 Monate lang wurde der Wein dann in 50% neuen und 50% gebrauchten Barriques ausgebaut. Doch nun zum Endprodukt in der Flasche. Sehr hell, durchsichtig und strahlend, sehr duftig und fast parfümiert springt der Wein aus dem Glas. Vom Typ her eher leise, burgundisch elegant, mit feiner Rotfrucht, blauen Blüten, kräutrig, ätherisch und mit feinem Holzeinsatz kann man sich durchaus an der Nase festriechen. Am Gaumen leicht, elegant, feminin, grazil und kühl – der Vergleich zu Vosne-Romanée hinkt hier keines Falls. Die milde Säure gibt frische und kühle, die leichten Röstaromen runden das Gesamtbild ab und lassen alles sehr harmonisch erscheinen. Doch was mich an diesem Wein fast am meisten begeistert hat, ist seine Durchgängigkeit. Ohne Hochs und Tiefs zieht er sich von Antrunk bis zum langem Finale perfekt durch. Nichts fällt ab, der Alkohol ist perfekt eingebunden und das Tannin ist reif und weich. Hier versteht jemand sein Handwerk! Für mich 91 Punkte und eine zwingende Kauf Empfehlung für 15€ ab Weingut. / Update: 2011 ist leider ab Weingut ausverkauft. Der 2012er wird im Juli kommen!

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2011 Jülg Spätburgunder Sonnenberg
Dieser Einzellagen Spätburgunder stammt aus dem Schweigener Sonnenberg und wächst dort in einer von Kalkstein dominierten Parzelle. Auch hier wurden Mitte September die Trauben mit der Hand mit 91° Oechsle und einem Ertrag 45 hl/ha gelesen. Nach der spontanen Gärung reifte der Wein 18 Monate in 70% neuen und 30% gebrauchten Barriques aus französischer Eiche. Von allen drei Spätburgundern ist der Sonnenberg im Moment definitiv am verschlossensten und gibt Aromatisch am wenigsten preis. Deswegen würde ich den anregenden Duft im Moment auch eher als „feine burgundische Pinot-Nase“ beschreiben, welche ich aber blind niemals als deutschen Spätburgunder entlarvt hätte. Auch am Gaumen gibt sich der Wein relativ zugenagelt. Hier steht am ehesten die Holzwürze im Vordergrund. Strukturell straff, fest, etwas ruppig, und noch deutliche vom Säure- und Tannin-Gerüst geprägt, ist der 2011er Jülg Spätburgunder Sonnnenberg bestens für ein langes Leben gerüstet. Gebt diesem Wein noch mindestens 3-4 Jahre im Keller, damit er sein ganzes Potential ausschöpfen kann. Die richtigen Anlagen dazu hat er auf jeden Fall. Von mir gibt es hier wahrsagerische 90-92 Punkte. Für 24€ ist er ab Weingut zu erhalten.

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2011 Jülg Pinot Noir
Da ist er: das Flaggschiff! Doch zu meiner inneren Zufriedenheit wird hier nicht der Ansatz „höher, weiter, schneller“ gefahren, sondern sich mehr auf „eleganter, feiner und graziler“ konzentriert. Erreicht wurde dieses Ziel in dem man die kleinbeerigsten und aromatischsten Trauben mittels Handlese Mitte September mit 94° Oechsle und 30 hl/ha erntete. Nach der Spontangärung und 14 Tage auf der Maische wurde der Wein für 18 Monate in 100% neuen Barriques aus französische Eiche ausgebaut. Dabei war und ist der frankophile/burgundische Stil stehts als Vorbild im Kopf des Kellermeisters verankert, ohne aber die Schweigener Heimat zu verleugnen. Und wie das gelungen ist! Die Nase zeigt aktuell seine „erste Blüte“: Alles wirkt ultra-fein und elegant mit Schattenmorellen, etwas Brombeere, einer sehr feinen und eingebundenen Holzwürze, im Hintergrund etwas Marzipan und Kräuter der Provence. Eine Nase zum verlieben – warm, aber trotzdem grazil und feingliedrig. Großes Pinot Kino! Auch am Gaumen ein Traum von Pinot Noir! Druckvoll und kräftig, aber trotzdem tänzelnd und leicht. Das Holz ist nie dominant und wunderbar integriert. Der 2011 Jülg Pinot Noir ist kein lauter oder pompöser Wein. Er wird getragen von Eleganz und Klasse, der seinen großen (und weitaus teureren) Vorbildern aus dem Burgund in nichts nachsteht. Vom Typ her maskuliner wie der „R“, etwas griffiger in Tannin und Säure, dazu ein geschmeidiger langer Abgang. Ich wiederhole mich gerne: Großes Pinot Kino. 93+ Punkte in meinem Buch. Für 36€ ab Weingut zu haben.

Webseite des Weingutes Jülg
Weingut Jülg auf Facebook

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3 Antworten auf „Andächtiges Schweigen: Jülg Pinot Noir

  1. Pingback: Jülg | Weinnotizen

  2. Habe beide Tops gestern probiert, ich fand sie beide auch sehr, sehr gut. Burgundisch Züge ja, aber für mich deutlich als Deutsche Spätburgunder zu erkennen. Warum? Bei beiden Weinen, die sich gestern enorm offen präsentierten, war das Holz deutlich zu spüren, da habe ich mit Spätburgundern aus den gleichen Jahrgängen von der Cote d´Or andere Erfahrungen, es ist deutlich dezenter und auch schon in der Jugend besser eingebunden bzw. wird nicht zu exzessiv verwendet. Der 2. Punkt ist die typische Süße für deutsche Spätburgunder im Finish. Braucht es eigentlich doch nicht. Meine Meinung…

  3. Pingback: Jülg Sauvignon blanc Sonnenberg 2012 trocken Pfalz | #Leertrinker07

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