(NM) Es war einer dieser Proben welche man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Der passionierte Wein-Netzwerker Uwe Warnecke hatte zur großen Shiraz Probe geladen. Das „Beste“ aus Australien vs. einige Piraten aus der alten Welt. In Uwes Anschreiben lockten so glorreiche Namen wie Henschke’s Hill of Grace, Penfold‘s Grange, Glaetzer Amon Ra, Clarendon Hills Astralis, Torbreck’s Run Rig und viele mehr. Allesamt mit etwas Reife auf dem Buckel. Von 1991 bis 2005 war da alles vertreten. Was für eine Möglichkeit hier gleich zwei offene Fragen mit einer Probe zu beantworten: Sind die großen Shiraz aus Australien wirklich alle die überreifen und fetten Frucht-Monster für die sie alle halten und – viel wichtiger vielleicht noch – wie reifen diese Weine? Es sollte ein Denkwürdiger Abend werden, soviel vorab, vor allem auch auf Grund der in das Feld gestreuten Piraten-Shiraz aus der alten Welt.
Um die Probe so authentisch wie möglich wiederzugeben, beschreibe ich hier jeden einzelnen der 9 Flights mit meinen kurzgefassten Notizen und Bewertung. Jeweils drei Weine wurden pro Flight vorher von Uwe thematisch zusammengestellt (in Summe also 27 Weine). Alles wurde blind ausgeschenkt! Die Reihenfolge der Weine stellte sich später als exzellent heraus, obwohl dies bei so vielen kräftigen Rotweinen immer eine Herausforderung für alle Sinne ist. Mein finales Ranking aller Wein gibt es am Ende des Artikels. Here we go.
Flight 1:
Wein 01: reife Rotfrucht, waldige Würze, Marzipan, Waldboden, feines Tannin + Säure, hat eine gewisse Reife, aber nicht überreif in Frucht und Entwicklung, der Alkohol ist etwas dominant, gute Länge. Alte Welt? (92 Punkte)
Wein 02: feine & kräutrige Nase, reife Rot und Schwarzfrucht, toller Holzunterbau, dunkle Würze, Mokka, leichter Waldboden, am Gaumen künstlich reif, unangenehm bitter, nasser Tabak, unharmonisch (87 Punkte)
Wein 03: fast blutig in der Nase, Traubenzucker + Rotfrucht, irgendwie puristisch, dazu süßlich floral, vielleicht Viognier mit drin(?), viel Holz, vielleicht zu viel(?) (90 Punkte)
Auflösung:
#1: 1998 Paul Jaboulet Aîné Hermitage „La Chapelle“
#2: 1998 Grennock Creek „Seven Acre“ Shiraz
#3: 1998 Kaesler Old Bastard Shiraz
Flight 2:
Wein 04: verführerische Fruchtsüße, etwas Vanille, Holz und Kräuter, ausgeglichen, rund, weich, balanciert, dazu feines Tannin, definitiv „neue Welt“, aber unter Kontrolle und sehr lang! Groß! (94 Punkte)
Wein 05: viel reife Frucht, Kombination aus Süße und Holz, doch sonst nicht viel. Sehr eindimensional, wirkt jung. Leicht ätherisch, Alkohol deutlich spürbar, braucht Zeit, ist nicht zusammen im Moment. (90 Punkte)
Wein 06: viel Pfeffer und viel Würze in der Nase, kaum Frucht, definitiv ein Pirat aus der alten Welt, Leder, ätherisch Frisch, Thymian, große Balance, fantastische Länge, Sagenhaft! (94 Punkte)
#4: 2005 Rolf Binder Hanisch Shiraz
#5: 2005 Glaetzer „Amon Ra“ Shiraz
#6: 2005 Ziereisen Jaspis Gastad Syrah
Flight 3:
Wein 07: Viel Reife! Waldboden, Tabak, Fell, tolle Eleganz, der Alkohol sticht etwas heraus. Bis auf Alkohol in Würde gereift, sehr gute Länge. Muss jetzt getrunken werden. Zwischen alter und neuer Welt angesiedelt (92 Punkte)
Wein 08: Hier ist und war Brettanomyces am Werk, deutlicher Muff-Ton, deutliche Reife, irgendwie auch gezerrt am Gaumen, trotz des feinen Tannins, man kann die Qualität des Weines aber nicht leugnen. Komischer Auftritt. Wird mit Luft runder! (91 Punkte)
Wein 09: Lavendel, nochmals Lavendel, parfümiert, fast schon florale Frische, etwas Fleisch, dahinter feine reife Rotfrucht. Große Nase! Flanierend, dicht am Gaumen, aber nicht „over the top“, sehr kompakt, ein Bilderbuch Shiraz, nahezu süchtig machend und sehr lang im Abgang – Groß! (95+ Punkte)
#7: 1991 Henschke Hill of Grace Shiraz
#8: 1996 Clarendon Hills „Astralis“ Shiraz
#9: 1996 Magpie Estate „Malcom“ Shiraz
Flight 4:
Wein 10: Schöne Reife, riecht „europäisch“, ätherische Frische, Waldboden, Säure merklich spürbar, reife Frucht ohne Überreife, kühl und elegant, trotzdem Struktur für die Ewigkeit, sehr Europäisch im Gesamtbild, toller Gripp im langen Finale. (94 Punkte)
Wein 11: Süße, eingekochte (echte) Frucht, kein Fake, feine Vanille Note, Röstaromen (Mokka), sogar Lebkuchen, Weihnachtsgewürze, Nelke, Kardamom, sehr komplex! Tolle Säure und Tannin-Struktur, sehr ausgewogen und balanciert, das Beste aus beiden Welten, kann alt werden! Großer Wein! (96 Punkte)
Wein 12: Vorab: perfekt inszenierter und komponierter Wein! Neben lebendiger Fruchtfülle, kommt etwas wie „Mineralität“ in den Sinn. Dicht und konzentriert, ohne „over the top“ zu sein, ist groß aber irgendwie berechenbar „gemacht“, besitzt grandiose Struktur für ein langes Leben. Viel Qualität, aber wenig Seele? Egal. (94+ Punkte)
#10: 1999 Henschke „Hill of Grace“ Shiraz
#11: 1999 Torbreck „Run Rig“ Shiraz/Viognier
#12: 2001 Penfolds Grange
Flight 5:
Wein 13: leider Kork
Wein 14: leicht oxidativ, reif in der Entwicklung, Fruchtwaldboden (?), ätherisch/minzig, tolle Reife in der Aromatik, immer noch gute Struktur, Säure steht und Tannin gibt Gripp hinten raus! Der schönste der „Alten“ bis dato. (93 Punkte)
Wein 15: sehr reif, definitiv oxidativ unterwegs, am Gaumen tot, zu alt, über den Berg. (80 Punkte)
#13: 1993 Wynns „Michael“ Shiraz
#14: 1994 Jim Barry „the Armagh“ Shiraz
#15: 1991 Chateau Thablik 1860 Shiraz
Flight 6:
Wein 16: wunderschöne opulente und reife Nase, etwas Vanille, dazu feine Kräuter, würzig, pfeffrig, kühl und ätherisch. Am Gaumen sehr lebendig, frische Säure, kühl, ausgewogen und harmonisch. Ein gereifter Pirat von der Rhone? Großer Wein! (94+ Punkte)
Wein 17: Merkwürdiger Wein! Grüner Tee, Lakritz und Tabak in der Nase, dazu leicht laktisch. Am Gaumen dumpf, es fehlt an Tiefe und Druck, dazu künstlich und kurz im Abgang. (86? Punkte)
Wein 18: Sehr „grün“ im Aromenspektrum, viel Würze, Pfeffer und grüne Paprika. Am Gaumen sehr klar und präzise, dazu kühl, frisch und sehr würzig! Dicht ohne opulent zu sein. Schöner Stil, am Anfang der Entwicklung. Definitiv ein Pirat! (92 Punkte)
#16: 1999 D’Arenberg Dead Arm Shiraz
#17: 1999 J.J. Hahn Nineteen Fourtheen Shiraz
#18: 2009 Knipser Syrah Reserve
Flight 7:
Wein 19: Die Nase ist frisch, mit etwas Pfeffer und Kräuter, dazu etwas reife Rotfrucht. Am Gaumen harmonisch, aber leider etwas durchlässig und dünn. Es fehlt an Länge, Substanze und Gripp. (87 Punkte)
Wein 20: Überkonzentriertes Frucht Bömbchen, alles wirkt fast künstlich, eingekocht, wie im Labor hergestellte Kunst-Marmelade. Ganz weit von den bestimmt hohen Parker Punkten weg. (84 Punkte)
Wein 21: Riecht wie Nord-Rhone in Kinderschuhen: grüne Stängel, Pfeffer, Holz, getrocknete Kräuter, dazu ätherisch frisch. Am Gaumen ist das Holz noch viel zu hart. Baby Mord. Braucht noch viel Zeit um sich zu öffnen. Definitiv ein Pirat! (89+? Punkte)
#19: 2003 Ziegler Syrah Reserve
#20: 2002 Mitolo GAM Shiraz
#21: 2010 Terlato & Chaputier „L Block“ Shiraz
Flight 8:
Wein 22: In der Nase kühl und komplex, frischer Waldboden, unterliegenden Frucht-Reife mit großer Holzintegration. Am Gaumen sehr ausgewogen, frische Säure, feines Tannin, edle Hölzer, sehr gute Länge – kompletter Wein, alles ist da! (93+ Punkte)
Wein 23: Sehr dichte Frucht in der Nase, dazu Wacholder, Pfeffer und Tabak – ein klassischer Winter/Kamin-Wein. Am Gaumen tolle Säure + Tannin-Struktur, dazu harmonisch und sehr lang. Hat noch eine große Zukunft vor sich! Die Frucht kommt hinten raus wieder. So sollten fruchtbetonte Shiraz reifen! Groß! (94 Punkte)
Wein 24: Sehr opulente Nase. Fast malzig, oxidativ mit gekochte Frucht. Erinnert an Rumtopf. Eindimensional und langweilig, aber nicht wirklich schlecht. (89 Punkte)
#22: 1996 Henschke Mount Edelstone Shiraz
#23: 1997 Peter Lehmann Stonewell Shiraz
#24: 1999 Tatachilla Shiraz
Flight 9:
Wein 25: Spuren von Lösungsmittel und Alkohol stört etwas die Nase. Nebendran reife Brombeere und Johannisbeere. Im Moment ungestüm mit rauem Tanninen & Säure. Braucht er noch mehr Zeit? Ist definitiv nicht zusammen im Moment. (88 Punkte)
Wein 26: Der ist durch! Lösungsmittel, Uhu, dazu überreife Frucht. Viel zu viel, keine Struktur, kein Spaß! (75 Punkte)
Wein 27: Super Nase! Kräutrig frisch, mit etwas Brett, Pfeffer, und die Frucht liegt schön eingebunden in der Mitte. Am Gaumen elegant, stimmig und sehr lang im Abgang. Zeigt sich fast noch jugendlich, aber mit großem Potential! (93+ Punkte)
#25: 2000 Killikanoon Oracle Shiraz
#26: 2000 Creek Estate Wild Duck Shiraz
#27: 2000 Torbreck Descendant
Mein Ranking des Abends:
01: 1999 Torbreck „Run Rig“ Shiraz/Viognier (96)
02: 1996 Magpie Estate „Malcom“ Shiraz (95)
03: 1999 D’Arenberg Dead Arm Shiraz (94+)
03: 2001 Penfolds Grange (94+)
05: 1997 Peter Lehmann Stonewell Shiraz (94)
05: 1999 Henschke „Hill of Grace“ Shiraz (94)
05: 2005 Rolf Binder Hanisch Shiraz (94)
05: 2005 Ziereisen Jaspis Gastad Syrah (94)
09: 2000 Torbreck Descendant (93+)
09: 1996 Henske Mount Edelstone Shiraz (93+)
11: 1994 Jim Barry „the Armagh“ Shiraz (93)
12: 1998 Paul Jaboulet Aîné Hermitage „La Chapelle“ (92)
12: 1991 Henschke Hill of Grace Shiraz (92)
12: 2009 Knipser Syrah Reserve (92)
15: 1996 Clarendon Hills „Astralis“ Shiraz (91)
16: 1998 Kaesler Old Bastard Shiraz (90)
16: 2005 Glaetzer „Amon Ra“ Shiraz (90)
18: 2010 Terlato & Chaputier „L Block“ Shiraz (89+)
19: 1999 Tatachilla Shiraz (89)
20: 2000 Killikanoon Oracle Shiraz (88)
21: 2003 Ziegler Syrah Reserve (87)
21: 1998 Grennock Creek „Seven Acre“ Shiraz (87)
23: 1999 J.J. Hahn Nineteen Fourtheen Shiraz (86)
24: 2002 Mitolo GAM Shiraz (84)
25: 1991 Chateau Thablik 1860 Shiraz (80)
26: 2000 Creek Estate Wild Duck Shiraz (75)
Kork: 1993 Wynns „Michael“ Shiraz
Vielen Dank an Uwe und das Team vom Weingut Alosiushof in St. Martin für die Organisation dieses großen Abends!
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