Retro Riesling: 1896 Carl Loewen

2012 Carl Loewen 1896 Riesling

(NM) Im Jahr 2012 entschlossen sich Karl Josef und Christopher Loewen, die Denker und Macher hinter dem Weingut Carl Loewen, ein ganz besonderes und außergewöhnliches Riesling-Projekt zu starten. Basierend auf ihren 1896 gepflanzten Riesling Reben im Maximin Herrenberg keimte die Idee, einen Riesling wie in der Zeit der Reb-Bepflanzung gegen Ende des 19. Jahrhunderts herum zu vinifizieren. Eine alte Korb-Presse aus den 60ern wurde gekauft und sich über die Weinbereitung zu dieser Zeit schlau gemacht. Christopher Loewen, zu Zeit noch in Geisenheim an der FH, übernahm die Umsetzung des Projektes. Für das gesamte Weingut begann eine aufregende Zeit.

Die knapp 6000 1896 gepflanzten Riesling Reben im Maximin Herrenberg sind wohl mit die ältesten wurzelechten ihrer Gattung auf der Welt. Sie wachsen auf rotem, durch Eisenoxid gefärbten Schiefer. Die Trauben für den 2012er Carl Loewen „1896“ Riesling Trocken wurden streng selektioniert per Hand gelesen. Das Einmaischen, also das Anpressen der Trauben geschah mit den Füssen in kleinen Bütten direkt im Weinberg. Nach dem Rücktransport der Maische in das Weingut, wurde alles in der uralten Kolb-Presse mit Muskelkraft gekeltert. Die Gärung mit Weinbergs-eigenen Hefen und der Ausbau erfolgten in alten großen Holzfass. Mehr 1896 geht heutzutage wohl kaum. Und das Ergebnis?

2012 Carl Loewen 1896 Riesling

Mit 39€ EVP spielt der auf 1250 Flaschen limitierte „Retro-Riesling“ preislich definitiv in der Großen Gewächs Liga mit. Doch der Preis ist nicht nur auf Grund des deutlich höheren Aufwandes in der Herstellung absolut gerechtfertigt. Denn auch qualitativ kann sich der Wein mit den besten Riesling GG’s des Landes messen. Die Nase ist extrem tief und verwoben. Unendlich viele Schichten aus nassem und rauchigem Schiefer, Feuerstein, feinen Ananas-Noten, reifer Grapefruit, feine Kräuterwürze (Senfsaat, Kamille) und sogar etwas Rosenwasser wurden aromatisch notiert. Die Haptik am Gaumen ist schlichtweg sensationell! Dank dem relativ langenm Kontakt der Maische mit den Beerenschalen, hat man wirklich das Gefühl, reife Riesling Trauben im Mund zu haben. Die Phenolik wirkt hierbei Strukturgebend und Trinkanregend zugleich. Ebenso die perfekt integrierte Säure. Geschmacklich dominiert wie auch in der Nase die extrem vielschichtige Mineralik, welche ich in der Komplexität nur bei den großen Riesling GG’s von K.P. Keller – Abts(e)rde oder G-Max – gefunden habe. Die Ananas und Grapefruit setzt sich geschmacklich zwischen den Schiefer und erweitert das Spiel am Gaumen um eine weitere Ebene. Dieser Riesling ist so konsequent wie authentisch und spiegelt das systematische Weglassen der traditionellen Weibereitungs-Methoden Ende des 19. Jahrhunderts par excellence wieder. Dennoch passt er durch seine außerordentliche Qualität mehr denn je in die heutige Zeit. Retro-Wein von uralten Reben gepaart mit dem Fokus auf das Wesentliche. Christoph Loewen vinifiziert hier für mich einen der besten, authentischsten und spannendsten Rieslinge des Jahrgangs 2012. Um es in Manischer Sprache auf den Punkt zu bringen: Ulai – 95 Punkte!

In Wax: 2012 Carl Loewen 1896 Riesling

Mit dem 2012er Riesling „1896“ ist dem Weingut Carl Loewen ein ganz großer Wurf gelungen. Die Mühen und Risiken haben sich basierend auf dieser Qualität des Weines mehr als ausgezahlt. Ich kann nur hoffen dass solch ein Retro-Riesling in den passenden Jahren wieder vinifiziert wird. Er ist eine absolute Bereicherung im Spitzen-Segment des trockenen Mosel Rieslings. Chapeau, Karl-Josef und Christopher Loewen! Dieser Wein setzt Maßstäbe!

Links:
Webseite des Weingutes Carl Loewen
Dieser Wein auf Captain Cork

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8 Antworten auf „Retro Riesling: 1896 Carl Loewen

  1. Schön geschrieben. Den Wein habe ich im September zum ersten Mal probiert – ich war auch begeistert. mich erinnert er sehr stark an das Prälat GG von Dr. Lossen, ein Wein, der aromatisch in gleicher Weise aus der typischen Moselstilistik heraussticht, aber straffer, muskulöser und weniger opulent als der 1896 ist.

  2. Hallo Drunkenmondays,
    Dank auch von mir für den Bericht. Ich freue mich natürlich wie Rumpelstielzchen wenn ich wieder einmal bestätigt sehe, was Handarbeit in Verbindung mit einer Vinifizierung die Vin naturel entspricht alles bieten kann. Da kommen einem die immer wieder vorkommenden Vorurteile recht seltsam vor, als da wären :
    a. mit indigenen Hefen kann man keine Komplettvergährung hinkriegen
    b. vin naturel können nett sein, aber nie wirklich gut
    c. ein Muß für gute Weine ist ein steriler Verarbeitungsweg, der Oxydation bloß keine Chance geben
    d. vin naturel erkennt man immer an den reduktiven oder muffigen Noten in der Nase
    Alles Blödsinn wie man sieht. Es geht – und wenn man sich die Beschreibungen solcher Weine einmal näher und vergleichend anschaut, erkennt man bei diesen Weinen doch meist wirkliche bis überschwengliche Begeisterung mit Sensationen, die bei „normalen“ Weinen eher selten zu finden sind.
    Ich wünsche euch ein wunderbares mit weiteren Sensationen gepflastertes Jahr.

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