„Freie Weine“ aus Südtirol

Freier Wein aus Südtirol

Christoph Richter von wein-aus-suedtirol.eu zu Gast bei Drunkenmonday.

(JR) Südtirol ist ein Schmelztiegel der Kulturen und Gegensätze. Alpine und mediterrane Lebensart treffen hier aufeinander und führen gerade in Sachen Wein immer wieder zu interessanten Neuentdeckungen. Christoph Richter, engagierter Importeur aus Hersbruck, war an diesem Abend angetreten, uns die eher unbekannteren Weine der freien Weinbauern Südtirols vorzustellen. Sie bilden den Schwerpunkt seines Programms. Mehr hierzu sowie Bestellmöglichkeiten findet man auf seiner interessanten Webseite wein-aus-suedtirol.eu.

„Wir mußten Künstler sein!“

Zum Einstieg gab es einen spannenden 2012 Weisser Burgunder von Andi Sölva. Nördlich des Kalterer Sees gelegen, verarbeitet das kleine Weingut ( Rebflächen: 1,3 ha ) einen kleinen Teil der Ernte seit dem Jahrgang 2007 in eigener Regie. Der andere Teil wird weiterhin von der Ersten & Neuen Kellerei Kaltern vinifiziert und vermarktet. Uns hat dieser Weißburgunder gut gefallen: weiße Blütendüfte, etwas getrocknete Banane sowie Zitronenmelisse entströmen dem Glas. Apfeltöne und die recht knackige Säure auf der Zunge lassen darauf schließen, dass hier nur bei einem Teil des Lesegutes der biologische Säureabbau eingeleitet wurde, um so lediglich die Säurespitze zu puffern. Ungewöhnlich, aber für den Schmelztiegel Südtirol irgendwie stimmig, ist das cremig-breite Mundgefühl, das man so bei einem Weißburgunder eher selten vorfindet und in schönem Kontrast zur Säure steht. Der Abgang spült eine angenehme Würze hoch, die an grünen Pfeffer erinnert. Ein eigenständiger, toller Wein zum moderaten Preis. 88P

Klassisch Terlaner.

Hinter dem 2011 Kiemberger Terlaner klassisch verbirgt sich der Winzer Norbert Kofler, der auf seinem Mini-Weingut (Rebflächen: 0,7 ha) diese Cuvée erzeugt. Basis bildet die Sorte Chardonnay (70%), gefolgt von den Sorten Sauvignon (20%), Müller Thurgau und Riesling (10%). Der Ausbau auf der Feinhefe erfolgt für 6 Monate im Edelstahlbehälter und Akazienholzfass. Leider hat uns dieser mutige und ungewöhnliche Ansatz in puncto fertigem Produkt etwas enttäuscht. Die übertriebenen laktischen Noten deuten zum einen auf einen zu heftigen Säureabbau hin und maskieren zum anderen die positive Anklänge von Quitte, Zitrone und nussigem Karamell. Mit viel Luft und Zeit verliert sich dies aber etwas im Glas. Auf der Zunge ergibt sich ebenfalls ein heterogenes Bild. Eingangs läuft der Wein weich und breit über die Zunge, in der Mitte macht sich aber eine aggressive Säure bemerkbar und im kurzen Abgang zeigen sich (harzige?) Bittertöne. Dies alles steht zudem recht isoliert nebeneinander. Fazit: Der Kiemberger Terlaner ist jetzt definitiv noch zu jung zum Trinken, wird sicherlich weiter zusammenwachsen, aber nicht jedermanns Geschmack treffen. 82+P

Tiroler Kuhwiese?

Peter Dipoli, umstrittenes Enfant terrible der Tiroler Weinbauszene, hat die Reben zu seinem 2010 Voglar Sauvignon Blanc in Hanglagen bei Kurtatsch stehen. Das Traubenmaterial wurde sehr reif gelesen, entrappt und anschließend im großen Akazienfass ausgebaut. Die Nase zeigt eine Fülle von Aromen, die man sich nicht lange „erarbeiten“ muss, sondern opulent dem Glas entströmen. Dabei ist der Wein alles andere als „everybodies darling“, da neben reifer Stachelbeere, Limette, Pfeffer, Kräutern und eine an Retsina erinnernde Harzigkeit auch gleichberechtigt animalische Noten stehen. Das liebt oder hasst man; uns hat dieser „Tiroler-Kuhwiesen-Stinker“ jedenfalls sehr gefallen. Eigenständig und absolut ungewöhnlich geht es auch im Gaumen weiter. Würze, Frische und Frucht sind hier die drei Stichworte. Die Würze setzt die Eindrücke der Nase fort, die Frucht erinnert frappierend an Grapefruit und die Frische entsteht durch die angenehme Säure sowie eine schwer zu beschreibende „Saftigkeit“, die extrem trinkanimierend wirkt. Große Klasse, denn oft hat man sich an solchen Charakterweinen schnell satt getrunken! Eine Weißweinprovokation aus dem wilden Südtirol zum total unmöglichen Preis. 91+P

Bestimmt aus dem Bordeaux!

Die 2002 Cuvée Geierberg Castel Schwanburg ist ein Sonderfall. Nach dem tragischen Tod des Winzers zerstritt sich die Familie und das in Etschtal gelegene, Jahrhunderte alte Weingut wurde geschlossen. Christoph Richter kann exklusiv noch den ein oder anderen älteren Jahrgang anbieten. Und dieser Wein hier ist besonders hervorzuheben. 2002 ist ein guter Jahrgang in Südtirol gewesen und die Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot macht dem schon in der Nase alle Ehre. Super gereifte Töne von Leder und Tabak, aber ohne tertiäre Aromatik, immer noch frisch wirkend Dank einer Brise von Tannennadeln und Veilchen. Am Gaumen geht der Spaß weiter. Schön feinkörniges Tannin, dunkle Beerenfrüchte, Kräuter, alles zusammen und ineinander verwoben. Im Abgang mit viel Druck. Tipp: Bitte nicht dekantieren, um die sich ständig verändernden Eindrücke bei Luftzufuhr im großen Glas nicht zu verpassen. Dieser Wein könnte als klassisch gereifter, femininer Bordeaux glatt für den doppelten Preis über die Ladentheke gehen. Toller Pirat, der in so mancher Blindprobe aus dem Bordelais ungläubige Gesichter provoziert. 92P

Sagen wir mal „krachtig“.

Zum Abschluss folgte ein kräftiger Rotwein aus den Dolomiten. Der 2006 Laimburg „Col de Réy“ ist eine Cuvée aus den Traubensorten Lagrein, Petit Verdot und Tannat. Das Landesweingut Laimburg umfasst eine Anbaufläche von 45ha und verfügt auch über ein Versuchszentrum, dessen Schwerpunkt Experimente mit neuen Sorten bilden, um den Herausforderungen des Klimawandels besser begegnen zu können. Der hier angetretene Wein ist, bedingt durch die Traubensorten Lagrein und Tannat, tanninreich, farbintensiv und duftet nach Kirsche, Schokolade sowie etwas Zimt und geräuchertem Speck. Der erste Eindruck auf der Zunge wird von feinkörnigen Gerbstoffen und einer prominenten Säure geprägt. Der Wein fühlt sich zudem schlanker an, als die Nase vermuten lässt und erzeugt im Abgang einen alkalisch-salzig-rauchigen Nachgeschmack. Ein individueller, in sich stimmiger, maskuliner Roter, der allerdings auch etwas anstrengend daher kommt. 90P

Fazit

Unter den freien Weinbauern aus Südtirol gibt es manche Entdeckungen, die eine absolute Bereicherung des eigenen Weinhorizonts darstellen dürfte. Natürlich trifft man hier nicht (immer) den allgemeinen Massengeschmack an und Prämierungen auf großen Verkostungen kann man von diesen Produkten ebenfalls nicht erwarten. Aber gerade das macht das Hobby Wein ja so spannend: Immer wieder überrascht zu werden von der Vielfalt und Eigenständigkeit in Zeiten des Einheitsgeschmacks auf allen Ebenen. Unbedingt probieren.

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