(NM) Vorab: Pallagrello ist kein Schinken von Schweinen, welche sich ausschließlich von Waldmeister ernähren. Pallagrello ist eine autochthone Rebsorte aus Kampanien. Es ist zudem eine der wenigen ihrer Art, die es in Weiß – Pallagrello Bianco – und Rot – Pallagrello Nero – gibt. Somit passen die beiden Weine wunderbar in das Thema der Weinrallye #59: Exotische Weine. Gastgeber ist dieses Mal Peter Ladinig von „The Institute of Drinks“.
In Kampanien dachte man lange Zeit der komplette Bestand an Pallagrello Bianco und Pallagrello Nero sei der Reblaus zum Opfer gefallen. Doch Anfang der 1990er Jahre identifizierte Peppe Mancini beide Rebsorten „neu“ und rekultiviert sie seit dem in den Hügeln Kampaniens. Schon im 18 Jahrhundert waren beide Rebsorten übrigens die absoluten Lieblinge des in dieser Zeit herrschenden Königs Ferdinand IV. Sie waren damals schon in der Lage, aus Pallagrello Bianco und Pallagrello Nero überaus langlebige Wein zu vinifizieren. Heute laufen sie unter der Terre del Volturno IGT Gebietsbezeichnung.
In Deutschland muss man sehr lange suchen, um Weine aus diesen Rebsorten zu finden. Das Weingut Vestini Campagnano hat sich auf die alten autochthonen Rebsorten Kampaniens spezialisiert. Sie versuchen weit ab von Fiano, Greco di Tufo, Aglianico und co die Kampanischen Ur-Rebsorten weiter zu kultivieren. Neben Pallagrello Bianco und Nero wird unter anderem auch die rote Rebsorte Casavecchia auf insgesamt nur 6 Hektar angebaut und vinifiziert. Beide Weine des Weingutes Vestini Campagnano erstand ich bei dem Italien-Spezialisten gerardo.de. Dort sind sie auch noch in kleinen Mengen auf Lager verfügbar. Hier sind nun meine Eindrücke.
2010 Vestini Campagnano Pallagrello Bianco
Dieser 100%tiger Pallagrello Bianco wird klassisch im Edelstahltank ausgebaut. Auch eine Bianco Version mit Barriqueausbau wird von Vestini Campagnano erzeugt. Die Holz-freie Variante duftet betörend „anders“ aus meinem Glas. Das Aromen Spektrum streckt sich von Birne, Mango und Pfirsich über weißen Balsamico, Limette und leichter Mineralität bis hin zu erdigen Noten. Man merkt gleich, dass es sich nicht um eine hochgezüchtete Aromarebsorte handelt. Am Gaumen herrscht ein enorm weiches und cremiges Mundgefühl vor, welches an sich schwer zu beschreiben ist. Ein Bonbon aus Seide trifft es vielleicht ganz gut. Der Alkohol perfekt integriert und sehr feine Säure ist enorm gut im Wein eingebunden. Nicht spektakulär, aber irgendwie authentisch und harmonisch. Die Gleichstellung aller Komponenten ist hier glaub ich die richtige Beschreibung. Eine runde Sache. Für 14€ nicht gerade ein Schnäppchen, aber darum geht es hierbei ja auch nicht. 88 Punkte.
2008 Vestini Campagnano Pallagrello Nero
Nur etwa 8000 Flaschen dieses seltenen Weines produziert Luigi Felice Barletta jährlich. Er wird klassisch für 12 Monate in Barriques ausgebaut – und die Holz-Kur steht ihm extrem gut. In der Nase finde ich Aromen von Erde, Rauch, reife Herzkirschen, edlen Hölzern und einen Hauch Lavendel. Der Wein erinnert schon an die klassische Kampanische Rotweinschule, wobei dieser Pallagrello Nero nicht ganz so wuchtig und fett wie so mancher Aglianico daherkommt. Eher versprüh er eine gewisse Eleganz und Feinheit, soweit man dies Nasal entdecken kann. Am Gaumen bestätigt sich dann der Eindruck. Der mittlere Körper brilliert mit klaren und puren Fruchtnoten ohne in das Marmeladige/Eingekochte abzudriften. Die leicht erdigen und würzigen Noten lassen ihn dazu etwas rustikal anmuten, was ihm aber im Gesamtkontext ausgesprochen gut steht. Durch das elegante Tannin entsteht ein samtiges, weiches und ausgewogenes Mundgefühl. Im Abgang zeigt er gute Länge mit feinen Kirschen und würzigen Holznoten. Ein absolut sauberer und authentischer Wein. Keine Überholzung oder marmeladige Fruchtexzesse. Vestini Campagnano schickt diesen Pallagrello Nero als klassischen Süditaliener mit mediterranem Charme ins Rennen. Das einzige Manko ist in meinen Augen der Preis. Mit 27,50€ ist er etwas zu teuer. Für das Geld hätte ich noch einen Tick mehr Überzeugungskraft erwartet. Doch nichts desto trotz bewegt man sich auf den Spuren des Kampanischen Weinbaus. Und Ahnenforschung hat ja bekannter Weise seinen Preis. Für mich aber klare 91 Punkte.
„Bonbon aus Seide“ finde ich gut!
Pingback: Weinrallye #59 – die Zusammenfassung | The Institute of Drinks
Pingback: Kampanische Weinbaugeschichte: Pallagrello Bianco + Pallagrello Nero | Weinrallye | Scoop.it
Die Weinralleys zu den autochthonen Rebsorten und zu den exotischen Weinen habe ich verpasst. Mir fällt aber nachträglich auf, dass kaum jemand einen deutschen Wein beschrieben hat.
Liegt wahrscheinlich daran, dass sich auf der Konsumentenseite kaum jemand so gut mit den SELTENEN autochthonen Reben in Deutschland auskennt wie ich.
Darum biete ich am 6.7.2013 in Bonn die meines Wissens bislang umfangreichste Vergleichsprobe zu deutschen Weinen aus seltenen historischen Rebsorten an! Es gibt noch Plätze!
Der Bericht von Andreas Jung zum Erfassungsprojekt Rebengenetische Ressourcen ist zwar immer noch unter Verschluss, aber er kommt einfach selber und berichtet!
Wer Einzelheiten wissen will, mailt mir bitte unter weinrunde@gmx.de