(NM) Anlässlich meines Geburtstages (34, geht noch) vor ein paar Tagen, holte ich 2 Flaschen Wein aus meinem Keller, die man genau für diese Tage seiner Zeit eingekauft hat. Von zwei unterschiedlichen (nennen wir sie mal) global „Semi“-Einflussreichen Weinkritikern bekamen beide Weine zusammen 199 von maximal 199 Punkten. Doch wie passen die Bewertungen von Luca Maroni und Andres Proensa zu meinem aktuellen Geschmacksbild?
Luca Maroni und Andres Proensa gehören zu den so genannten „lokalen“ Weinkritikern. Luca schreibt über die Weine von Italien und Andres bringt jährlich den Weinführer „Guia Proensa – Die besten Weine Spaniens“ auf den Markt. Beide genießen in ihren Ländern hohes Ansehen und Respekt für die Arbeit um das Thema Wein. Doch hier hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Wenn es um die Vorlieben im Bezug auf die Stilistik der Weine geht, gehen beide nahezu den entgegengesetzten Weg. Luca Maroni favorisiert kräftige, dichte, fruchtbetonte und intensive Weine – ähnlich eines Robert Parker. Andres Proensa ist eher ein Freund des klassischen, eleganten und traditionellen Weinstiles. Somit treffen hier bewertungstechnisch zwei Geschmackwelten aufeinander.
Andres Proensa (c) http://www.cristinaalcala.com
Der perfekte Wein 1/2:
2005 Pujanza Norte / Rioja, Spanien – 100/100 Punkte Guia Proensa
Der Pujanza Norte ist ein Wein, welchen Proensa schon seit mehreren Jahren regelmäßig mit der perfekten Bewertung ausstattet. Der damalige Preis von ca. 45€ pro Flasche ist für einen 100 Punkte Wein schon fast als Schnäppchen zu bezeichnen. Im Jahrgang 2005 besteht der Wein aus 60% aus Tempranillo und zu 40% aus Garnacha, Graciano und Mazuelo. Alle Trauben stammen aus der Einzellage Valdepoleo und wurden für 18 Monate in neuer Französischer Eiche ausgebaut. Stilistisch reden wir hier von einem Mittelding aus klassischen (Leder, Erde) und modernen (fruchtbetonten) Rioja. Die Nase lässt großes erhoffen. Sie duftet ausgesprochen fein und vielschichtig nach dezentem Waldboden, Trüffeln, dunklen Früchten, edlen Hölzern, Lorbeer und etwas getrockneten Kräutern. Der klassische Rioja-Stinker ist weit und breit nicht zu finden. Leider folgt die kleine Enttäuschung auf dem Fuße. Am Gaumen ist von dieser vielschichtigen Ausgewogenheit leider (im Moment) nicht viel zu finden. Die Säure steht etwas außen vor, der Körper ist mir für solch ein Gewächs etwas zu schwach und nach dem Schlucken verflüchtigt sich der Wein dann relativ schnell. Entweder befindet er sich aktuell in einer dieser berühmten Talphasen seiner Entwicklung oder Andres wurde von der Primär-Aromatik seiner Jugend schlichtweg benebelt. Versteht mich nicht falsch, der Wein ist ausgesprochen gut. Elegant, samtig, fein und sehr wohlschmeckend, aber für den „perfekten Wein“ fehlt es mit einfach an den richtigen Stellen an aromatischer Überzeugung. Beschweren auf hohem Niveau. Ich würde dem 2005 Pujanza Norte in der jetzigen Phase etwas 91-92 Punkte geben. Für alle Freunde des seriösen Rioja trotzdem eine Empfehlung. Der aktuelle Jahrgang 2009 (auch 100/100 Proensa) ist für 65€ zu erwerben.
Der perfekte Wein 2/2:
2006 Vinosia „Sesto a Quinconce“ / Kampanien, Italien – 99/99 Punkte Luca Maroni
Luca Maroni ist schon ein spezieller Typ. Er bewertet seine Weine nach einem mathematisch aufgesetzten Bewertungssystem. IQ/P = C + B + I und so. Näheres dazu kann man hier finden. Im Grunde genommen wird jeder Wein zu je einem Drittel in den Kriterien „consistency“ (Konsistenz/Durchgängigkeit), „balance“ und „integrity“ (Vollständigkeit) mit maximal je 33 Punkten bewertet. Somit hat der perfekte Wein für Luca 99 Punkte. Und genau diese bekam der zu 100% aus Aglianico bestehende 2006 „Sesto a Quinconce“ aus dem Hause Vinosia. Sein Winzer Mario Ercolino (früher bei Feudi di San Gregorio) spricht über diesen Wein „…das ist der beste Wein meines Lebens. Patrimo, Serpico, meine Lagen-Taurasi und auch den Marziacanale, habe ich mit diesem Wein übertroffen. Dies ist der Wein, den ich immer machen wollte. Im Jahrgang 2006 ist mein Traum des Super-Aglianico wahr geworden…“. Nun, bei so vielen Superlativen kann das ja nur großartiger Wein sein. Und dem ist auch so. Vorausgesetzt man mag diese extrem dichten, konzentrierten und Mund/Raum füllenden Weine. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war von diesem Wein schwer beeindruckt. Ähnlich einem Turley Zinfandel oder Allegrini Amarone ist dieser Wein bis unter den Glasrand vollbepackt an Fruchtaromen, ohne aber dabei in das Marmeladige oder Künstliche abzudriften. Eine Hülle aus ultra-feinem Tannin hält dieses Konzentrat zusammen. Der Wein bewegt sich sehr souverän auf der Grenze kurz vor dem „zu Extremen“. Für viele Traditionalisten hat das sicher wenig mit Eleganz und Anmut zu tun – aber mal ganz ehrlich, wer bewegt nicht gerne ab und an eine brutale Dodge Viper über den Asphalt? Ich zolle großen Respekt an Mario Ercolino, solch einen massiven Wein immer noch „trinkbar“ zu halten. Kontrollierte Reizüberflutung. Wer diesen Stil mag wird den „Sesto a Quinconce“ lieben. Aglianico auf Steroiden. Von mir gibt es 96 Punkte. Wieso? Weil es einfach hedonistischer Weingenuss ist. 70€ muss man aber leider dafür aufrufen.
Italienischer Wein ist eines der besten Dolce Vita Erlebnisse die man sich in die heimische Gemach holen kann. Ganz davon abgesehen ist ein Becher Rotwein am Tag durchaus heilsam.
Wein aus Italien ist so vielschichtig wie die unterschiedlichen Regionen in Italien, in denen jener angebaut wird.
Kompliment, ein schönes Portrait der beiden Verkoster…
Danke Michael!
Also dann herzlichen Geburtstags-Glückwunsch nachträglich vom Bloggerkollegen (wein-blogger.com) und regelmäßigem Leser dieses Blogs !
Herzlichen Glückwunsch. Sehr lesenswerter Artikel über die beiden Wein-Päpste und die bewerteten Weine.
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