Am letzten Wochenende im April treffen sich jedes Jahr (fast alle) VDP Betriebe in den Mainzer Rheingoldhallen zur Mainzer Weinbörse. Da zur ProWein im März die meisten Weine des aktuellen Jahrgangs noch am gähren sind bzw. nicht gefüllt waren, zeigen die Betriebe in Mainz deutlich fertigeren Traubensaft. Von QbA bis TBA und von Pinot Medelaine bis Sauvignon Blanc Auslese wurde alles gezeigt, was die Lager der Betriebe im Moment füllt. Da die Großen Gewächse aus 2011 natürlich noch nicht der Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen, brachte der ein oder andere Betrieb ein GG aus den Jahren 2008 bis 2010 mit.
Bei der Masse an Betrieben und Weinen war es für mich in den wenigen Stunden nicht möglich, einen kompletten Überblick über die VDP Qualitäten des Jahrgangs 2011 zu bekommen. Jahrgangsprognosen, beste Kollektionen und wilde Statements sollen andere ausrufen. Ich habe im Großen und Ganzen versucht, meine Wissenslücken neben den Superstar-Rebsorten Riesling und Spätburgunder zu stopfen. Deswegen gibt es hier und heute sozusagen ein „Best of“ der 2011er Mainzer Weinbörse inklusive Empfehlungen und Kuriositäten meinerseits.
Anfangen möchte ich gerne mit den „Nicht-Rieslingen“, also jenen Weißweinen, die im Schatten der Königin viel zu selten beleuchtet werden. Das Roman Niewodniczanski vom Weingut van Volxem Riesling kann, ist klar. Doch sein feiner und geradliniger Weißburgunder hat mich im Feld der leisen Vertreter seiner Art sehr überzeugt. Auch aus Franken kam ein großartiger, etwas „lauterer“ Kandidat: Der 2011er Weißer Burgunder Cyriakusberg Terrassen von Theo Luckert / Zehnthof konnte mit sauberster Frucht, deutlicher Säure und viel Gripp am Gaumen überzeugen. Ein Maul voll Wein! Theo wusste aber auch mit zwei anderen Weinen aus dem Einstiegsbereich zu punkten: Viel Wein für das Geld bieten der 2011er Sulzfelder Müller-Thurgau und der 2011er Sulzfelder Blauer Silvaner! Achja – Silvaner! Richtig guten Silvaner gab es bei Bickel-Stumpf! Neben dem 2010er GG Silvaner Mönchshof hat mich der 2011er Silvaner Kapellenberg richtig geflashed! Auch Paul Weltner konnte mich mit seinen Silvanern überzeugen (2011 Rödelseer Schwanleite „Alte Reben“!). Großer Stoff! Johann Ruck (auch Franken) sorgte für mein verdutztesten Gesichtsausdruck der ganzen Messe. Seine beiden Extrem-Weine 2009er Scheurebe „Estheria“ und 2008er Silvaner „Myophorium“ ließen die Worte „krasse Scheiße“ aus meinem Mund über den Probier-Tresen in Richtung Winzer wandern. Eine Frau am Tisch meinte, sie wäre „zu Alt“ um das zu verstehen. Darauf Johann: „Probieren sie einfach die Weine.“ Herrlicher Moment!
Weiter geht es mit Deutschlands Mode-Rebsorte #1: Sauvignon Blanc! Hier haben mich einige Württemberger Interpretationen schwer beeindruckt. Gerald Aldinger wusste mit seinem 2011er Sauvignon Blanc *** eine Punktlandung zu machen, mit toller Balance zwischen grüner/grasiger Stilistik und reifer tropischer Frucht. Die strahlende Fruchtbrumme packte das Weingut Drautz-Able mit dem 2010er Sauvignon Blanc „Hades“ in die Flasche! Die Wein gewordenen Pina Colada machte mächtig Spaß. Noch ein Stück krasser die 2011er Sauvignon Blanc Auslese aus dem Heilbronner Stiftsberg von Drautz-Able. Wem eine Riesling Auslese nicht genug Frucht-Süß genug ist. Mit das beste aus der Rebsorte macht mit Sicherheit Rainer Schnaitmann. Sein 2011 Sauvignon Blanc *** war ähnlich wie der von Aldinger einfach nur großartig, dicht und ausgewogen. Auch jedes Jahr einer meiner Favoriten in Sachen Holzintegration: Schnaitmann 2010 Grau.Weiss – eine perfekte in Barrique gehüllte 50/50 Cuvée beider Rebsorten. Bei den Sekten gab es drei große Gewinner. Der opulente, aber trotzdem feine und reife 2005er Cuvée „Mo“ von Armin Diehl, der „Pinot-Sekt in Perfektion“ 2006 „Pi-No“ Brut von Ökonomierat Rebholz und Barths 2008er Riesling Sekt „Primus“ – ein fertiges Riesling Erstes Gewächs versektet. Alle drei gehören für mich in die Top 5 der Deutschen Sekte.
Riesling gab es natürlich auch. Und das nicht zu knapp. Bei den trockenen „Großen Gewächsen“ kommen mir sofort zwei fantastische Rheingauer Rieslinge in den Sinn: Beide 2010er Peter Jakob Kühn „Drei Trauben“ Riesling aus dem Doosberg und St. Nikolaus. Wo der Doosberg mit Kraft und Druck die Kühn’sche Philosophie im Extremjahr 2010 wiederspiegelt, schafft der St. Nikolaus mit seiner kräutrigen Kühle (?) extreme Spannung! Auf der biodynamischen Bühne großes Kino! Auf einer anderen Ebene weiter links bewegte sich der 2011er Wiltinger Braunfeld Riesling trocken von Van Volxem. Ein schwebender Saar-Riesling mit messerscharfer Präzision und Trinkfluss. Hier fiel es schwer zu spucken. Von der Nahe fielen mir zwei Riesling sehr positiv auf: 2011 Dr. Crusius Kirschheck trocken und 2011 Schäfer-Fröhlich Vulkangestein – für mich der „beste“ Einstiegsriesling den ich an dem Tag verkostet hatte. Zurück in den Rheingau. Dirk Würtz zeigte mir am Stand von Balthasar Ress wie eckig und kantig auch der Rheingauer Riesling sein kann. Sein täglicher Sauf-Wein, der 2011er Rüdesheimer Riesling gefiel mir sehr gut, der trockene Berg Schlossberg war eine Wucht und der Nussbrunnen Eiswein einfach grandios! Für mich der beste Eiswein an diesem Tag. Ein weiterer spannender, trockener Riesling war 2011er „Dachsfilet“ von Prinz von Hessen. 1/3 der Trauben wurde Maischevergohren. Ein gelungenes Experiment! Richtig groß war die Kollektion von Leitz! An der Spitze standen die 2011er Riesling Monumente aus dem Berg Rottland und Berg Schlossberg. Aber auch im restsüßen Bereich wurde mit dem feinherben und sehr trinkigen Riesling Kabinett aus dem Kirchenpfad und der wunderschönen Spätlese aus dem Berg Roseneck hoch gepunktet!
Bleiben wir bei den restsüßen Rieslingen. Hier konnten mich einige klassische Mosel/Saar Kabinetts durch Leichtigkeit, Frische, Trinkfluss und wenig Alkohol gänzlich überzeugen. Ganz vorne der 2011 Riesling Kabinett aus dem Herrenberg vom Weingut Von Orthegraven. Dieser zeigte fast schon die kräutrige Frische welche ich in den Bockstein Weinen des Weingutes so liebe. Auch keine deklassifizierte Auslese, sondern ein waschechter Riesling Kabinett war der 2011er Trittenheimer Kabinett von Grans-Fassian. Deren 2011er Auslese aus der Trittenheimer Apotheke gehörte auch mit zu meinen Lieblingen aus dieser Kategorie. Den Vogel in Sachen Auslese schoss aber von Hövels 2011 Auslese -33- aus dem Scharzhofberg ab. Rasse, Dichte, Säure, Frucht, Süße – alles in Überschuss, aber alles unter Kontrolle. Eine Auslese für die Ewigkeit.
Irgendwann hat man aber auch von den Süßweinen genug. Rotwein musste her! Und da gab es viel zu entdecken! Für mich der beste Rotwein den dort probieren durfte: 2008er Knipser Spätburgunder Kirschgarten GG. Das die Gebrüder Knipser auch in „kleinen Jahren“ große Weine machen können ist klar, aber bei diesem Wein stimmte einfach alles. Feinste Pinot-Frucht, perfekter Holzeinsatz mit Druck und Eleganz. Ein sensationeller Deutscher Pinot! Bleiben wir bei der Rebsorte. Siegrist (ebenfalls Pfalz) zeigte mit dem 2009er Pinot Noir ** „Kalmit“ einen sehr guten Wein für kleineres Geld. Auch Siegrists 2009er Cabernet Sauvignon ** war ausgesprochen gelungen und könnte sich ohne Probleme in die Top 3 unserer Deutschen Cabernet Sauvignon Blindprobe einreihen! Das Philipp Kuhn gute Spätburgunder macht ist bekannt. Sein 2008er Spätburgunder GG aus dem Steinbuckel gehört mit seiner stoffigen und dichten Art zu meinen Lieblingen aus Deutschland. Ebenfalls groß: 2009er Gutzler Morstein Spätburgunder GG. Hier gefielen mir aber auch der Basis Spätburgunder aus 2010 und der 2008er Westhofener richtig gut. Gerade wenn der Geldbeutel wieder nur heiße Luft spuckt.
Das soll es auch schon gewesen sein. Der Jahrgang 2011 bleibt spannend. Was mir diese Veranstaltung doch noch viel deutlicher gezeigt hat: Bei dem ganzen Hype um 2011 sollte man nicht die großen Weine aus den teilweise gleichwertigen Vorgängerjahren vergessen. Hier gibt es auch bei den VDP Weingütern noch einen Menge ab Hof zu erwerben! Dranbleiben!
„Krasse Scheiße“ als Beschreibung für ein Geschmackserlebnis bei Wein lassen mich daran zweifeln, ob ich ein Geschmacksbild dieses Weines genussvoll nachvollziehen kann! Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu alt für diese beschreibende Sprache! Tut mir leid, aber was soll ich damit anfangen? Kaufen? Trinken? Wegschütten? Den Winzer besuchen? Weiter lesen?
der.trockene.franke
Die Antwort auf die Frage lautet: probieren. „Interessanter Wein“ hätte ich auch schreiben können, nur wäre damit weder Ihnen, mir und dem Wein geholfen. Extreme Weine bedürfen extremer Beschreibungen. Dem Winzer hat es gefallen – und er wusste auch genau, was ich meinte.
Der im Absatz „Sauvignon Blanc“ eingeordnete „Grau-Weiss“ von Rainer Schnaitmann aus Fellbach in Württemberg enthält tolle Fruchtaromen, aber keinen Tropfen Sauvignon Blanc sondern Grau- und Weißburgunder.
Hallo Michael,
der Absatz war eigentlich nicht nur dem Sauvignon Blanc zugeordnet, zumal nach dem Grau.Weiss auch noch Sekte in dem gleichen Absatz beschrieben werden. Hinter dem Graus.Weiss steht auch „eine perfekte in Barrique gehüllte 50/50 Cuvée beider Rebsorten“ – damit ist Grau- und Weißburgunder gemeint.
Grüße,
Nico
Grau.Weiss von Schnaitmann ist mein Lieblingsburgunder in Weiss! Dazu gutes PLV. Im Zalto Burgunder „krasse scheiße“! 😉
Nur so zum Klugscheißen: Gert Aldinger… 😉