Assyrtiko, Mouhtaro, Liatiko, Tinaktorogos – Griechenlands autochthone Bodenschätze

Der Weinbau in Griechenland(NM) Autochthon (altgriechisch αὐτός autós „selbst“ und χθών chthōn „Erde“, also etwa „einheimisch“, „eingeboren“, „alteingesessen“, „bodenständig“ oder „an Ort und Stelle entstanden“) bezeichnet Dinge, Personen oder Phänomene, die an ihrem ursprünglichen Entstehungsort existieren. So steht es bei Wikipedia. Wenn ich dabei an Griechenland denke, kommt mir unweigerlich die omnipräsente Staatspleite in den Sinn. Autochthone Geldprobleme. An sich aber kein singulär für Griechenland gepachtetes Phänomen. Die wahren autochthonen Stärken des Landes liegen augenscheinlich nicht in dem Finanzsystem, sondern wachsen an den Hängen und Bergen der weitverbreiteten Griechischen Weinbaugebiete. Es sind Rebsorten wie Assyrtiko, Mouhtaro, Xinomavro, Liatiko, Tinaktorogos oder Argiorgitico, welche ganz außergewöhnliche und eigenständige Weine hervorbringen können. Insgesamt gibt es in Griechenland an die 300 (!) autochthone Rebsorten.

Vassilios Christodoulatos, Geschäftsführer und Mann für alles bei Ariston Fine Food GmbH, übernahm die Aufgabe die Drunkenmonday Wissenslücke über (zumindest) ein Teil der für uns völlig unbekannten Rebsorten zu stopfen. Keine leichte Aufgabe, da schon alleine die korrekte Aussprache von Liatiko, Tinaktorogos und co. einige Zeit in Anspruch nahm. Vassili ist ein harter Hund wenn es darum geht, seine Vorstellung von Griechischen Weinen auf dem deutschen Markt zu repräsentieren. Auf der Suche nach den autochthonen Bodenschätzen Griechenlands selektiert er strickt und mit System. Keine „internationale Rebsorte“, gewachsen auf Griechischem Boden, kommt in sein Sortiment. „Syrah und Cabernet kann jeder.“ – „Griechenland sollte sich auf das fokussieren, was sie Einzigartig macht“ – so seine klare Aussage. Um diese Eigenständigkeit weiter zu fördern, berät er auch „seine Winzer“ direkt in Griechenland. Ein ausgesprochen gelungenes Beispiel für diese Mühen ist der 2009er Mouses Estate „Mouhtaro“. Diese Rebe wächst nur noch auf einem zusammenhängenden Weinberg in der Region Theben. Kurz vor dem Aussterben ermutigte Vassili den Winzer Nikolaos Zacharias diese Traube weiter auszubauen. Doch dazu später mehr.

3x Weißwein - 3x komplettes NeulandSalz, Meer und Gesicht.

Die Probe startete mit einem 2010er Blanc de Noires aus der roten Moscomavro Traube des Weingutes Diamantis. Als Rotwein ausgebaut strotzt der Moscomavro nur so vor Tannin, doch als Blanc de Noir vinifiziert ergibt es einen sehr spannenden Weißwein. Kurioserweise erinnerte er uns sogar an einen etwas rustikalen Chablis, da er zwar mit Limetten und reifer Apfel Aromatik eine gewissen Frische mitbringt, gleichzeitig aber erdig und salzig am Gaumen kleben bleibt. Hier möchte jemand entdeckt werden. Für 10€ ein spannendes Weinerlebnis! Die Bewertungen lagen um die 86-88 Punkte. Einen reinsortigen Tinaktorogos gab es mit dem nächsten Wein ins Glas. Den 2011er Ktima Brintzikis Tinaktorogos genauer gesagt. Von diesem Bio-Wein werden nur 5000 Flaschen produziert. Diese recht seltene griechische Rebsorte erzeugt fruchtig-aromatische Weine, welche mit einer frischen Säure oft als belebender „Sommerwein“ eingesetzt werden. Dionysios Brintzikis bleibt dieser Eigenschaft der Rebsorte treu. Sein Tinaktorogos duftet nach Passionsfrucht, Pfirsich, Zitrus, Gletschereisbonbon und Himbeerblätter und zeigt auch am Gaumen harmonische und fruchtbetonte Aromatik. Ein Wein für Freunde von Muskateller, Verdejo und co. Mir persönlich etwas zu austauschbar. 85 Punkte. Doch der Hammer folgt auf dem Fuße. Mit dem 2010er Assyrtiko Cuvée No. 15 von Hatzidakis haut uns ein Charakter-Wein vom Feinsten seine Aromen um die Ohren. Man stelle sich vor man stehe an der wilden Griechischen Mittelmehrküste. Eine großer Welle zerschellt ein den schroffen Felsen und die Gischt spritzt einem mitten ins Gesicht. Diesen unbändigen salzig-frischen Moment gepaart mit einem Schuss Holzwürze, Hefe und zerbröckeltem Stein bringt dieser Assyrtiko in die Nase. Ein Geruchs-Urlaub der besonderen Art. Auch am Gaumen ist das Meer nicht weit entfernt. Solch eine kristalline Salzigkeit getragen von einem cremigen und mächtigen Körper habe ich noch nie in einem Wein erlebt. Die 14.5% Alkohol tragen positiv zu dem Erlebnis bei. Wahnsinns-Stoff! So etwas schmeckt sicher nicht jedem, aber die Art und Weise wie dieser Assyrtiko die Kraft seines Terroirs in das Glas bekommt, ist sehr beeindruckend. Ohne Zögern 93 Punkte.

Großes Zeug aus GriechenlandAugousti-Was?

Kommen wir zu den Rotweinen. Vassili schenkt uns zuerst einen 2009er Dafnios Liatiko ins Glas ein. Diese rote Rebsorte ist vor allem auf der Insel Kreta heimisch und auch unter den Namen Liatis, Mavroliatis, Mayrodiates und Mavrodiates bekannt. Aromatisch bringt sie ein Mix aus erdigen und schokoladigen Noten ins Glas. Die leicht überreife dunkle Frucht erinnert etwas an Ruby-Port oder Primitivo, ohne dabei aber marmeladig oder süßlich zu wirken. Die Zunge wird mit feinen Tannin und einer zarten Säure gestreichelt. Dank des mittleren Körpers lädt der Wein auf weitere Gläser ein. Für 9€ ein eigenständiger, sehr gut trink- und wiedererkennbarer Wein. So sollte das sein. Um die 88 Punkte und eine dicke Empfehlung! Wie schon oben beschrieben folgte nun der 2009er Mouses Estate „Mouhtaro“. Eine von nur 2000 Flaschen dieses sehr besonderen Weines wurde von unserer Gruppe geradezu aufgesogen. Die Nase erinnerte mit herrlichen roten Früchten (reife Himbeeren und Kirschen), Veilchen, einer erdigen Würze (?!) und getrockneten Kräutern an einen klassischen Gigondas. Irgendwer warf auch das Wort „Donauwelle“ in den Raum. Im Mund passte dann alles zusammen. Auch hier breite sich die Donauwelle aus (ohne die Süße natürlich), gepaart mit etwas Tabak und würzigem Waldboden (sollte man sich mal vorstellen) – alles getragen von einer frischen Säure. Für 13€ ist der Mouchtaro neben dem Assyrtiko der Gewinner des Abends! Kaufen, trinken, staunen! Eine sehr runde Sache: 92 Punkte! Der letzte Wein des Abends brachte eine interessante Geschichte mit sich: Die Weinberge des 2008er Ktima Brintzikis Augoustiatis grenzten unmittelbar an die Waldflächen, welche im August 2007 von den großen Waldbränden auf der Peloponnesischen Halbinsel betroffen waren. Somit wurden die Rebstöcke tagelang von Rauchschwaden durchzogen. Glücklicherweise wurde diese äußerst seltene Rebsorte kein Opfer der Flammen. Doch dem Wein aus dem Post-Feuer-Jahrgang 2008 merkt man den Räucherprozess deutlich an! Neben sehr fleischigen, teerigen und kirschigen Noten hat man den Eindruck, die Trauben haben den Waldbrand mit in das Glas gebracht. Man riecht förmlich das verbrannte Holz. Nicht zu vergleichen mit dem vanilligen „heavy toasted 200% new oak“ Stil, der gerne in vielen Teilen der Welt angewandt wird. Neben dieser recht einzigartigen Eigenschaft besitzt der Wein zudem auch noch eine ganz fantastische Säure, die das ganze Rauch-Szenario etwas auflockert. Wer auf rauchige/holzige Weine steht, sollte die 13€ definitiv investieren. Ein Wein-Unikat, geschaffen von einer der größten Naturkatastrophen Griechenlands. 90 Punkte.

Fazit!

Griechenland: Weit mehr als nur Retsina und Imiglykos, überzeugen die autochthonen Rebsorten auf ganzer Linie. Vassilios Christodoulatos hat mit viel Liebe und Geduld eine großartige Auswahl zusammengestellt. Dazu ist das Preis-Leistungs-Verhältnis teilweise sensationell. Wir bleiben am Ball!

http://www.ariston-fine-food.com/

Weiterer Wein aus Griechenland bei Drunkenmonday:
2007 Alpha Estate Pinot Noir Turtles Vineyard (Pinot Blind-Probe
2009 Thema Regional Wine of Drama

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2 Antworten auf „Assyrtiko, Mouhtaro, Liatiko, Tinaktorogos – Griechenlands autochthone Bodenschätze

  1. Nico! Super Blog… Hab die Probe gerade nochmal durchlebt, mit einigen Déjà-vu-Erlebnissen – cerebral und palatinal. Danke…

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