Darf es etwas reifer sein? 1963er Staatsweingüter Cabinet Rüdesheimer Rottland Spätlese Naturrein

Staatsweingüter Cabinet Rüdesheimer Berg Rottland Spätlese Naturrein 1963

1963 Cabinet Rüdesheimer Berg Rottland Spätlese Naturrein Staatsweingüter

(PT) 1963?? Was war da nochmal? Damit ihr beim nächsten Genuß einer Flasche 1963er nicht nur über den Wein reden müßt, hier ein paar Fakten:
In diesem Jahr, legte die SED als Ziel einen sowjetisch geprägten Kommunismus fest. Auf der anderen Seite Deutschlands ging es konstruktiver zu: Am 22. Januar erfolgte die Deutsch-französische Aussöhnung. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichneten den Elysée-Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Schon 1963 wehrten sich die Deutschen gegen die Atomkraft und orgnisierten am 14. April in mehreren bundesdeutschen Großstädten Ostermärsche gegen die militärische Nutzung der Kernenergie. John F. Kennedy setzt mit „Ich bin ein Berliner“ anlässlich seiner Rede in Berlin seinen Stein ins Buch der Geschichte. Eine weitere Person schreibt mit einer Rede Geschichte: Beim „Marsch auf Washington“ am 28.August protestieren 200.000 Menschen unter Führung Martin Luther Kings gegen die Rassendiskriminierung. Martin Luther King hält hierbei seine berühmte Rede „I have a dream“.

Das Wunder von Lengende am 07. November: Nach dem Grubenunglück von Lengede werden nach 14 Tagen 11 Bergleute gerettet. US-Präsident John F. Kennedy wird am 07. November in Dallas erschossen. Zum Ende unsereres Geschichtesausfluges noch eine positive Sache: Erstmals seit dem Mauerbau öffnen sich am 17. Dezember wieder die Sektorenübergänge. Das zwischen der DDR und dem Senat von West-Berlin unterzeichnete 1. Passierscheinabkommens erlaubt West-Berlinern über die Weihnachtstage und Sylvester den Besuch in Ost-Berlin. Zum Jahreswechsel 1963/64 machen etwa 700.000 Westberliner rund 1,2 Millionen Besuche in Ost-Berlin.

Jetzt zum Wein: Das Etikett ist ein klassisches Beispiel deutscher Schlichtheit (Achtung Ironie)

1963er Cabinet Rüdesheimer Berg Rottland Spätlese Naturrein Staatsweingüter

Cabinet mit „C“ und dann auch noch „Spätlese“ – hatte der Etikettendrucker zu viel intus? Nicht ganz: Cabinet war früher in Deutschland und Österreich eine verwendete Bezeichnung, um einen besonders herausragenden Wein auszuzeichnen. Eine so genannte „Kreszenz“. Die Wurzeln des „Cabinet“ mit C gehen auf den 1245 erbauten Weinkeller im Kloster Eberbach der Zisterzienser zurück. In diesem Keller gab es ein Kellerabteil, das die besten Weine beherbergte: Auf französisch bedeutet „cabinet“ Nebenraum. 1712 wurde der Begriff Cabinet zum erstmal um einen Wein als Reserve-Qualität zu bezeichnen verwendet. Dieser historische Keller des Kloster Eberbach wird heute noch „Cabinet-Keller“ genannt. Weine die diesen Begriff führten durften nicht mit Zucker angereichert werden. Es war auch Usus, die Bezeichnung „Cabinet“ Prädikatswein anzufügen, wie in unseren Fall Rottland Spätlese Cabinet.

Die Avantgradisten der heutigen Winzerszene würden sich sicherlich freuen, wenn sie einen weiteren Begriff dieses Weines nutzten dürften: „Naturrein“. Zur Erklärung ein kurzer Ausflug in das Jahr 1930: Das Weinbau Lexikon von 1930 erklärt Naturrein folgendermassen:

Naturwein = Naturreiner Wein. Dort definiert als Wein, dem irgendwelche andere Stoffe, als sie zur Kellerbehandlung notwendig sind, nicht zugesetzt worden sind. Sie dürfen insbesondere keinen Zucker oder Zuckerwasserzusatz erhalten haben.

Ach, und dann gab es auch noch den „Verband Deutscher Naturweinversteiger“ (heute als VDP bekannt) aber dazu ein ander Mal mehr.

Jetzt aber zum Wein:

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Der Korken der 1963er Cabinet Rüdesheimer Berg Rottland Spätlese Naturrein hatte seine besten Tage schon hinter sich – komplett durchnäßt und wahrscheinlich nicht mehr ganz dicht (gut das die Bleikapsel gehalten hat…) Von der Farbe zeigt sich der 1963er Berg Rottland sehr dunkel, karamelig und leicht getrübt. Wir haben ihn in eine schlanke Karaffe gefüllt und über 3 Tage verkostet:
1. Tag
In der Nase verschlossen, mit viel Mühe kann man ein Tee herausriechen, am Gaumen stimmig mit frischem aber reifem „Säure Kick“ hinten raus – noch nicht wirklich spannend
2. Tag
Die Nase hat sich deutlich geöffnet: Toffee ohne Ende, karamellige Noten insgesamt überraschend süß das ganze, am Gaumen zeigt sich die 1963er Berg Rottland Spätlese nun stimmiger und ausbalanciert. Ein unerfahrener Weintrinker bekommt sie zu probieren, O-Ton: „Das ist aber lecker, kann ich noch mehr davon haben?“
3. Tag
Toffee und Karamell ist immer noch da, zusätzlich kommen Aromen die an feine Fino Sherrys erinnern – die Flasche wird zu Schupfnudel mit Speck und Sauerkraut leer getrunken – was ein schöner Genuß.

Und das Fazit der Geschicht? Unterschätz die Alten nicht!

2 Antworten auf „Darf es etwas reifer sein? 1963er Staatsweingüter Cabinet Rüdesheimer Rottland Spätlese Naturrein

  1. Hm, fragt sich, wer da einen „im Tee“ hatte:

    -orgnisierten
    -gut das
    -karamelig
    -Schlanke Karaffe
    -ausbalancoierter
    -Unerfahrener Weintrinker
    .. etc.
    Von der Kommasetzung – sollte ich Komasetzung (Achtung, Ironie!) sagen? – einmal ganz abgesehen.

    Vinophile Grüße

    Gattaca

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