Viel Wein, wenig Alkohol – Riesling Kabinett 2009

Riesling Kabinett(JR) Rieslinge mit dem gesetzlich festgelegten Prädikat „Kabinett“ sind weltweit etwas Einzigartiges. Ohne Alkoholeskapaden und ausladende Opulenz gewinnen sie durch Feinsinnigkeit, verführerische Frucht und Eleganz. Traditionell stammen Kabinettweine aus den eher nördlichen, oft steinigen Schieferhängen an Nahe, Mosel, Saar, Ruwer sowie dem Rheingau. Internationale Konkurrenz? Die ist rar gesät und muss in Bezug auf Finesse und Balance oft passen. Auch preislich gesehen machen Kabinettweine viel Spaß. In unserer regulären Montagsprobe haben wir uns daher einige Kandidaten des Jahrgangs 2009 und einen Ausreißer etwas näher angeschaut.

Der 2001 Querbach Edition Riesling ca. 10.-€ zeigte als Einstiegswein eindrucksvoll, dass ein Riesling Kabinett auch nach 10 Jahren noch überzeugen kann. Der Wein präsentierte sich wegen der perfekten Säure für sein Alter unglaublich frisch und zupackend. Nur die dezente Firne deutet auf den Jahrgang hin. Zitrusfrüchte und Pfirsich sowie eine gute Konzentration runden den positiven Gesamteindruck ab. Anzumerken wäre noch das ungewöhnliche, von Querbach entwickelte Verschlusssystem, eine Art Kronenverschluss. Für den Weintrinker ist es zunächst einmal ungewohnt einen Verschluss zu sehen, der an Bierflaschen erinnert, aber ein probates Mittel gegen die vielen Korkfehler darstellt, die uns leider viel zu oft in Proben begegnen. Hier ein informative Seite zum Thema „StainlessCap“.

2009 Otto Görgen Kabinet Riesling Hochgewächs Beilsteiner Schlossberg ca. 4,80€ ist der Preis-Leistungs-Sieger des Abends. Moselschiefer in der Nase. Am Gaumen ein animierendes Süße-Säure-Spiel. Die feine Restsüße katapultiert die Frucht und die Mineralität nach vorne, was den Wein schmelziger erscheinen lässt, als er in Wirklichkeit ist. Im Abgang leicht herbe Töne. Ein Wein ohne Ecken und Kanten, süffig und lecker. Für 4,80€ ab Weingut gibt es ganz viel Spaß im Glas. Universeller Essensbegleiter. Phantastischer Preis für diese Qualität! Infos und Preisliste gibt es unter http://www.weingut-goergen.de

2009 Von Othegraven Riesling Max ca. 12.-€ ist eine Hommage – nein, nicht an Günther Jauch – sondern an den Gründer des Weingutes, Maximilian von Othegraven. Der „Max“ begeistert mit einer würzigen Nase von Kräutern, blutigem Koreander, Lakritz, Birnen und Pfirsichen. Für zwei Tester deutete ein dezenter „Hintergrund-Stinker“ auf den Einsatz von Aromahefen hin. Negativ ist allen ein leichtes Seifenaroma aufgefallen, das aber nach wenigen Minuten Luftkontakt verfliegt. Auf der Zunge geht der Wein schön in die Breite. Tolles Mundgefühl, cremig und zart. Dann gelbe Früchte, welche die Säure leicht maskieren. Der Abgang fällt etwas schlanker als erwartet aus, animiert dadurch aber zum Nachtrinken. Insgesamt ein schöner, filigraner, jetzt sehr gut trinkbarer Wein mit Profil, der die Qualitäten der Kabinettklasse voll ausspielt. Für uns einer der Gewinner der Verkostung. Passt zu Fisch, Kalb und Pute. Lecker.

2009 Serrig Schloss Saarfelser Schlossberg Riesling Kabinett 11,5% ca. 7.- € Das Weingut Vereinigte Hospitien in Trier, Gründungsmitglied des VDP, zählt zu den ältesten Weingütern an der Mosel und dient der finanzielle Absicherung der Stiftungen, welche alte, kranke und behinderte Menschen in der Region betreuen. Freude am Wein und die Gewissheit etwas Gutes zu tun, was kann es Schöneres geben? Eine großartig mineralische Nase vom nassen Stein und feine Aromen von Veilchen, Bienenwachs, Honig und Zitrus springen aus dem Glas. Passionsfrucht und ein schöner Abgang sind die weiteren positiven Seiten des Weins. Die zupackende Säure, an Ascorbinsäure erinnernd, hat hingegen nicht jedem in der Runde gefallen. Der Wein präsentiert sich sehr jugendlich, gehaltvoll und „knackig“ in einem bezüglich der Mosel eher untypischen Gewand. Für Liebhaber durchgegorener, trockener Weine eine Empfehlung. Könnte sich durch etwas Flaschenreifung noch weiter harmonisieren. Guter Begleiter zu Salaten und Antipasta.

2009 Robert Weil Riesling Kabinett ca. 14.- € ist ein Wein, der Stirnrunzeln in der Gießener Weinrunde provoziert hat. Das Weingut Robert Weil ist einer der Spitzenerzeuger der Region. Doch was war das für eine Qualität im Glas? Die Nase ist durch Apfeltöne geprägt, welche beim Riesling Jugendlichkeit signalisieren und soweit in Ordnung gehen. Auf der Zunge zeigt sich jedoch ein mehr als enttäuschendes Bild. Unangenehme Säure, Brausetablette aus der Apotheke und „Literwein“ stehen im Notizbuch. Wo ist die Frucht geblieben? Wo der Extrakt? Dieser Wein ist dünn und ohne Charakter. Seltsam, dass ein so renommiertes Weingut solch eine schwache Qualität als Kabinett zum Verkauf freigibt. Der aufgerufene Preis ist nicht nachvollziehbar. Viele Fragezeichen.

2009 Josef Spreitzer Oestricher Lenchen Riesling Kabinett 8,5% ca. 9.- € Spreitzer ist eine Bank im Rheingau. Die beiden Brüder Andreas und Bernd haben das Weingut in den letzten Jahren an die Spitze herangeführt. „Sie stehen jetzt auf einer Augenhöhe mit Georg Breuer, August Kesseler, Peter Jakob Kühn und Josef Leitz.“ (Gault Millau 2006) Schlankheit, Geradlinigkeit und Charakter zeichnen die Weine aus. Den Spreitzers gelingt es, klassische Machart und moderne Spontan-Vergärungs-philosophie gekonnt in Einklang bringen. Die jugendliche Nase des Oestricher Lenchens ist deshalb nicht nur von gelbem Kernobst geprägt, sondern zeigt auch interessante, nussige Töne. Dazu gesellen sich Anklänge von Zitrus. Die dezente Seifigkeit hat uns nicht so gut gefallen. Dass der Wein kein „pleaser“ ist, zeigt sein authentischer Charakter deutlich auf der Zunge. Nur 8,5% Alkohol deuten zurecht auf eine intensive Süße hin. Daneben steht aber, noch etwas unverbunden, eine starke Säure, welche die mineralischen Aspekte und die Frucht leicht überdeckt. Hat sicher Potential für etliche Jahre. Diese Kabinett hat Saft und Kraft und ist ein idealer Essensbegleiter, z.B. zu pikanten Gerichten oder zur asiatischen Küche. Auch als Dessertwein zu fruchtigen Süßspeisen oder Käse eine gute Wahl.

2009 Wegeler Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling Kabinett 8,5% ca. 10.- € Rüdesheimer Berg Schlossberg ist die steilste Lage im ganzen Rheingau. Dort steht harter Quarzitboden, welcher sehr mineralische Weine hervorbringt. Dies ist auch sofort in der Aromatik des Wegeler Riesling Kabinett nachvollziehbar. Super komplexe Nase mit betörenden fruchtigen Aromen von Weinbergpfirsich, Ananas und Mango, tiefgründige Mineralität und dem Duft nach Zitronenmelisse und Kräutern. Wow! Am Gaumen spiegelt sich die intensive Fruchtaromatik wider. Die Süße, etwas in Richtung Süßstoff gehend, und die erstklassige Säurestruktur sind gut ausbalanciert. Alles fühlt sich sehr geschmeidig an. Der lange Abgang überzeugt ebenfalls. Dieser Wein hat soviel Strahlkraft, Eleganz und Brillianz bei nur 8,5% Alkohol, einfach unglaublich!

Fazit: Kabinettweine, manchmal etwas im Abseits der Spät- und Auslesen stehend, sind die heimlichen Stars unter den Rieslingen. Auf einem sympathischen Preisniveau begeistern sie mit Mineralik, Frucht und Finesse, wovon viele Große Gewächse durchschnittlicher Winzer oft nur träumen können. Entdecken und Genießen.

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2 Antworten auf „Viel Wein, wenig Alkohol – Riesling Kabinett 2009

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