(NM) Was ein Stress. Als Public Enemy anno 1988 (ein „grandioses“ Jahr im Bordeaux) den Titel „don’t believe the hype“ aufnahmen, ahnten sie wohl schon, was 2011 so alles in der Weinwelt, genauer gesagt im Bordeaux Universum los sein würden. Aus allen Rohren feiert äh feuert die „Fachpresse“ Lobeshymnen auf den Über-Jahrgang 2010 im Bordeaux. Überall blitzen die magischen 96-100 Punkte auf. Vorne weg: James Suckling. Unser neu installiertes Sprachrohr im Wein 2.0 mit der Punkte-Garantie zum Geld drucken. Doch was ist dran an dem Hype? Gab es das ganze nicht schon ein mal? Mir kommen solche Szenarien wie „Super Tuscans in den 90ern“ oder „2007 Rhone“ in den Kopf. Was wurde da nicht schon alles gemacht. Die Preise gingen parallel zu den Punkten nach oben, die Händler rissen sich um das Zeuch, etc. Nehmen wir alles „mal 3“ und schon haben wir den Wirbel um Bordeaux 2010.
Doch unser Mann an der Front sagt: Scheiß auf den Hype! Viele der 2010er Weine schmecken wie über-extrahierte Teer-Schorlen mit Alkohol und Tannin. Die Worte „Eleganz“ und „Finesse“ hat man in der Region wohl nicht erst mit dem Jahr 2010 abgelegt. Na gut, damit kann man natürlich auch keine 100 Punkte Heim fahren. Verliert eine ganze Region im Punkte Rausch ihr „Terroir“? Vielleicht sollte man in solchen Jahrgängen „wo alles geht“ eine neue Bezeichnung für den Saft einführen? „Bordeaux Max“ oder „Grand concentration du Vine“?
Aber jetzt mal im Ernst. Was mir mindestens genauso auf den Zeiger geht, ist die nachträgliche Verheiligung mittelmäßiger, heute „klassischer“ Jahrgänge. Im Rahmen der ProWein besuchte ich ein 2008er Bordeaux Tasting der UGCB. Nach etwas Recherche auf www.bordoverview.com stellte ich mit erstaunen fest, dass sich unter den knapp 80 Weinen einige 94-97 Parker Punkte Kandidaten befanden. Haha, guter Witz Herr Parker. Sicher fiehl es auch mir als „Bordeaux-Skeptiker“ schwer, die Qualitäten einiger Weine (Leoville Poyferre und Canon la Gaffelière z.B.) herunter zu spielen, aber über 93 Punkte kam keiner der Weine aus diesem „klassischen Jahrgang mit ordentlich Rückenwind“ hinaus. Was hat der Herr Parker denn da prognostiziert? Gerade unter der Tatsache, das er a.) das Gebiet selbst verköstigt und b.) ja doch eher auf „fettere“ und „kräftigere“ Weine steht?! Wieder einmal wurde ich in meiner Skepsis bestätigt. Tut das gut.
Wie dem auch sei. Über Bordeaux 2010 werden sich sicher wohl noch einige Zeit die Kritiker, Händler und Aktionäre auslassen, belobhudeln, etc. – bis, ja bis der Jahrgang 2011 kommt! Denn bei dem Frühling kann das ja nur was GANZ GROSSES werden! Ich hörte James Suckling ist schon wieder dort zur ersten Blüten-Probe auf den Äckern der Chateaus. Nur gut, dass es auch andere Weinbau Gebiete dieser Erde gibt, wo sich die Qualität des Jahrgangs mitunter in die Qualität der Weine überträgt, und nicht auf die Qualität der Marketing Kampagnen.
PS: Le Pin, Margaux, Clos Puy Arnaud, Poujeaux und Brun sollen wohl wirklich in 2010 ganz nett sein.
Mehr zu dem Thema bei unseren geschätzen Blogger-Kollegen:
Bordeaux 2010 – jetzt kommt es ganz dick by the Blogggward
Schockierende Nachrichten aus Bordeaux: 2010 wahrscheinlich besser als 2009 @ Weinkenner.de
BDX Primeurs 2010 – der Fassprobenwahn geht weiter @ baccantus.de
Bonus-Info: James Sucklings 100 Punkte Weine in 2010
Chateau Cheval Blanc 99-100
Chateau Ducru-Beaucaillou 99-100
Chateau Haut-Brion Blanc 100
Chateau Lafite Rothschild 100
Chateau LaFleur 100
Chateau Margaux 100
Chateau Mouton-Rothschild 100
Vieux-Chateau-Certan 99-100
Ein gewisser Skeptizismus ist in Bordeaux sicher angebracht, trotzdem gibt es wenig, dass an die Eleganz der Bordelaiser Weine heranreicht. Jeder Hype hat ein Fünkchen Wahrheit in sich. Die Preise in Bordeaux sind allerdings nachfrageseitig getrieben. Dumm, wer da mitmacht… Trotzdem es gibt sicher noch einiges in Bordeaux, das das Geld wert ist. Da muss man halt weg von den ganz großen Namen. In Listrac oder Moulis beispielsweise werden bezahlbare und tolle Rotweine erzeugt. Poujeaux wird ja schon im Artikel erwähnt…
PS: Die Verfettung der Weine im Bordeaux ist übrigens echt beklagenswert – kann mir keiner erzählen, dass das am Klima liegt!
Interessant finde ich, daß all unseren Lesern und uns selbst Bordeaux offensichtlich grad an Arsch vorbei geht.