(NM/OW) Es gibt Winzer, und es gibt Winzer. Die einen gehen brav ihrem Job nach, produzieren Wein, verkaufen Wein, fallen nicht auf, stören keinen, der Wein schmeckt, mal mehr, mal weniger. Dann gibt es Winzer wie Peter Jakob Kühn, die konsequent den Weg der Biodynamie gehen, mit allen Ecken, Kanten, Gefahren, Risiken und Vorurteilen. Das dieser Weg nicht immer allen gefällt, ja sogar einen Winzer wie Peter Jakob Kühn zu einer „streitbaren“ Person macht, lässt ihn in meinen Augen nur noch sympathischer erscheinen. Wenn dann dieser sympathischer Winzer einem noch eine „once in a lifetime“ Vertikale des „3 Trauben“ Rieslings (manchmal auch als Erstes Gewächs zugelassen) seiner Paradelage Doosberg zur Verfügung stellt, kann einem schon mal etwas weichknieig werden. Danke Peter für diese Erfahrungsreiche Probe!
Die Familie Kühn besitzt etwa 4 ha Rebfläche im Oestricher Doosberg. Aus „nur“ ungefähr 1 ha wird der Riesling Doosberg „3 Trauben“ mit einer Ausbeute von ca. 25 hl/ha gelesen. Die Trauben werden von Hand gelesen und zum Teil noch im Weinberg von Hand über ein Edelstahlsieb entrappt. Je nach Jahrgang wird eine lange Maischestandzeit (8-10 Tage vor der Gärung) oder eine Maischegärung(zwischen 4 und 8 Wochen) im großen Holzfass gemacht. Zur Maischegärung kommt dann auch noch der Saft aus den nicht entrappten Trauben hinzu, die ganz normal nach der Ernte gepresst wurden. Der Wein des Jahrgangs 2006 ist zudem noch mit einem höheren Trübstoff-Anteil vergoren worden, welches ihn zu einem einmaligen „Erlebnis“ machte.
2001 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben EG 12,5%
Schöne reife gelbe Frucht mit herber Kräuteraromatik und Bienenwachs.
Der erste Eindruck von etwas zu stark hervorstechender Säure harmonisiert sich aber schnell im Mund zu einem ausgewogenen Gesamtausdruck mit einer sehr eleganten Reifenote. Nach längerem Kontakt mit Luft wird der Wein klarer in seiner kräutrigen Fruchtaromatik und cremiger/weicher im Mundgefühl. Hat noch gutes Potential. 90 Punkte.
2002 P.J. Kühn Doosberg Riesling Eine Traube 11,5%
Petroleum, Birne, viel Bienenwachs. Aromen nach angegorenen Äpfeln oder länger geöffneten Apfelwein, auch die Säure erinnert an Äpfel. Etwas überlagerte Nüsse. Die Säure ist etwas rau und die Birne eher mundaustrocknend als fruchtig. Merkwürdiger Wein. Keine Punkte.
2003 Drei Trauben P.J. Kühn Doosberg Riesling EG 14%
O-Ton Gruppe: Ein Berg von einem Wein! Reife Birne und Muschelschale. Erinnert in seinem cremigen Mundgefühl und seiner Buttrigkeit gepaart mit Mineralität an burgundischen Chardonnay. Gespitzter Bleistift, etwas Harz. Etwas frischer Kompost und Honig auf geröstetem. Brot. Ananassaft aus der Dose ohne die übertriebenen Süße. Säure ist perfekt eingebunden. Einigen in der Runde war dieser üppige 2003er etwas zu opulent der Rest war begeistert. 93 Punkte
2004 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben 13,5%
Bisher der mineralischste Doosberg. Der Begriff „Breitbandmineralik“ kam auf. Reifere Töne in der Frucht. Volle gelbe Frucht und sehr extraktreich. Etwas Graphit und auch etwas Bierhefe in der Nase. Sehr schöner Wein. 90 Punkte. (Und hier ein Beitrag unserer Feunde von „Nur ein paar Verkostungen..“ mit dem leicht provokanten Titel Riesling 2004 – phantastisch oder phenolisch? bei dem der 2004er Doosberg ebenfalls verkostet wird)
2005 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben 13,5%
Sehr rauchige, fast an Schiefer erinnernde Mineralität. Hoch komplexer Wein! Geröstete Paprika und Nashi-Birne. Muschelschale und rote Johannisbeere. Tandorigewürtz und Koriandersamen. Das Ganze getragen von einer schönen Extraktsüße mit Kräutern, feuchten Stein und grünem Tee.
Fein und elegant am Gaumen, die Nase lässt dies nicht erwarten. Der Wein ist noch nicht ganz zusammen wird aber wohl groß. 94 + Punkte.
2006 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben 13%
Als erstes die frisch geöffnete Flasche:
Enormer Spontan-Böchser. Jauche, Rauch, Leberwurst mit viel Schweinefett. Im Mund sehr grün. Zerbissene Traubenkerne, wenig Frucht, extraktreich und lang. Noch sehr eindimensional und extrem kontrovers. Keine Punkte – muss man erlebt haben (oder auch nicht).
Von diesem Wein gab uns Peter eine 2te Flasche mit, welche wir vorher 12 Stunden dekantierten:
Kein Spontanstinker mehr aber immer noch diese Leberwurst. Brot mit etwas ranziger Butter. Zitronengras und Limettenschale. Immer noch sehr schwierig.
2007 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben EG 13%
Schöne süßliche Röstaromen, etwas Magenbrot, Piment und Nelke. Fisch mit Limette. Im Mund noch sehr zu und auf die Mitte konzentriert mit etwas alkalisch wirkender Apfelsäure. Wird mit Luft schmelziger und mundfüllernder. Befindet sich wohl gerade in seine kargen Phase. 88+? Punkte
2008 P.J. Kühn Doosberg Riesling Drei Trauben EG 13%
Am ehesten eine typische Rheingaurieslingnase. Pfirsich, rauchiger Stein, Hefegebäck. Voll und extraktreich mit einer angenehm süßen Spur im Abgang. Lang, aber noch sehr säurebetont. Frisch mit einer Spur Bierhefe und einer Spur Kohlensäure. Gebet ihm Zeit. Jetzt 90 Punkte.
Zugabe:
2000 P.J. Kühn Oestricher Lenchen Riesling Spätlese
Butter und Honig. Karamell und selbstgemachter Johannisbeersaft oder Gele. Sehr feine Röstaromen eher wie Kakao als Kaffee. Immer noch frisch oder besser erfrischend trotz der Süße. Feines Hefegebäck mit Butter und karamellisierter Zucker. Einfach perfekt auf den Punkt gereift. Ein Wein zum verlieben! 95 Punkte!
Alles in allem war dies wenn nicht das lehrreichste Tasting unserer Runde bis jetzt. Jeder Wein ein absolutes Unikat und weit entfernt vom Rheingauer Einheitsriesling. Weiter so, Familie Kühn!
Tolle Probe! Wäre gerne dabei gewesen! Die 2006er Leberwurst-Variante hatte ich übrigens am Abend vor der „La Renaissance des Appellations“ Veranstaltung auch in geselliger Runde (u.a. mit MGmall). Genial! Ich liebe gute Leberwurst und das war pure flüssige Leberwurst. Passte als Ergänzung wunderbar zu unserer Pata Negra & Salamiplatte 😉
Das macht micht ganz spitz auf ein Leberwurst-Tasting. *google*
Cooler Beitrag! Kannte bislang nur den 08er, der mir wie Ihr auch sagt nicht als sooo Rheingau untypisch auffiel muss hier wohl mein Urteil über Kühns Doosberg revidieren – hatte von allen Kühn-Weinen bei uns im Sortiment als unbedingten Exoten eigentlich nur den Schlehdorn und den Amphore auf der Rechnung 🙂 Daumen hoch!
Pingback: Vertikalprobe von Kühns 3-Trauben-Wein Doosberg 2001-08 auf DrunkenMonday « Blog der Weinwelt Rheingau
Was für eine einmalige Probe, von einem der besten Winzer Deutschlands. Auch für mich sorgte Kühn für die überraschendsten Weinmomente. Es ist immer wieder unglaublich faszinierend, welche Vielfalt und welches Aromenspiel er in seinen Weine aufleben lässt. Kaum glaubt man ihn verstanden zu haben und zukünftig auch zu erkennen, belehrt er einen beim nächsten Mal auf ein Neues. Das lehrt Demut vor den Möglichkeiten des Rieslings und von dem Können dieses absoluten Ausnahmeproduzenten. In diesem Sinne bin ich traurig, nicht bei der Probe dabei gewesen zu sein.
Am Samstag hatten wir unsere Best Bottle-Party in Sachen Riesling und hier hießt der Siegerwein Kühn, mit seinem 2006er Schlehdorn. In unglaublicher Riesling, wenn man ihn fünf Tage vorher jeden Tag doppelt dekantiert. Wir werden bald davon berichten im Blog „Nur ein paar Verkostungen…“.
Viele Grüße
Rainer
PS. Freue mich auf Eure nächsten Beiträge!
Die „Wandelbarkeit“ der Riesling Traube wurde durch diese Probe mehr als unterstrichen. Vorallem wenn man bedenkt, das wir hier nur ein Wein eines Winzers verkostet haben. Es standen 8 völlig eigenständige Weine auf dem Tisch, welche man in einer Blindprobe wohl niemals auch nur Ansatzweise einer Vertikale zugeordnet hätte. Eine Probe mit wahrlich viel Weinerfahrungswerten, die nur schwer (wenn überhaupt) zu replizieren ist.
Der Schlehdorn fasziniert mich auch immer wieder aufs neue, wenn ich ihn auf Messen oder vor Ort bei Peter schluckweise verkoste. Ein Grenzwein, in jeder Hinsicht. Aber genau dafür liebe ich die Weine von ihm. Mut zur Lücke. Normal kann jeder.
Ich höre Sie schon, die Kühnschen Kritiker… 8 Weine, keiner vergleichbar, sie werden nach der fehlenden Lagentypizität rufen…
Man kann PJK nur gratulieren, dass er seinen Stil so unbeeindruckt durchzieht… man muss auch die Machart Stil der Amphore nicht mögen, man darf auch gerne hinterfragen, was das geschmacklich noch mit Riesling zu tun hat – ein Erlebnis bleiben die Weine aber auf jeden Fall…
Das von Rainer angesprochene Protokoll ist inzwischen auch da:
http://tinyurl.com/34uzekp
Viel Spass & macht weiter so!
Guido
Pingback: Big Bottles sind zum trinken da: Das „Grand Cru Weinrestaurant“ in Frankfurt Sachsenhausen « Drunkenmonday Wein Blog
Pingback: Abenteuer Riesling: 2005 Peter Jakob Kühn Amphore « Drunkenmonday Wein Blog
Pingback: Nachgefragt @drunkenmonday.de: 13 Fragen/Aussagen an, von und mit Billy Wagner « Drunkenmonday Wein Blog
Pingback: Querbeet durchs Parkett – VDP Mainzer Weinbörse 2012 « Drunkenmonday Wein Blog
Pingback: Rheingau Renaissance? 3x 2011 Barth Riesling Erstes Gewächs « Drunkenmonday Wein Blog
Pingback: Fünf JAHRE Drunkenmonday Weinblog 4/5: Unsere 5 emotionalsten Wein “Momente” | Drunkenmonday Wein Blog